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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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gealtert. Nicht nur ihrer Kleidung, auch ihrer Haut konnte man ihre missliche Lage ansehen. Dunkle Schatten lagen auf ihren Wangen. Die Falten unter ihren Augen hatten sich tiefer gegraben. Dafür strahlten ihre wässrig blauen Augen heller als je zuvor. Als ich um die Absperrung herumtrat, hielt mich mein Instinkt davon ab, sie zu berühren; ich fürchtete, sie könnte aufschreien.
    »Mum.«
    Erschrocken blickte sie auf, aber als sie sah, dass ich es war, ihr Sohn, lächelte sie triumphierend:
    »Daniel.«
    Sie sprach meinen Namen so aus wie früher, wenn ich sie stolz gemacht hatte, mit stiller, tiefer Freude. Als wir uns umarmten, lehnte sie eine Wange gegen meine Brust. Dann löste sie sich von mir und hielt meine Hände, und ich strich mit einem Daumen über ihre Finger. Ihre Haut war rau, die Nägel eingerissen und ungepflegt. Sie flüsterte:
    »Es ist vorbei. Ich bin in Sicherheit.«
    Ich merkte sofort, dass ihr Verstand hellwach war, als ihr mein Gepäck auffiel:
    »Was machen denn deine Koffer hier?«
    »Dad hat gestern Abend angerufen und gesagt, du wärst im Krankenhaus …«
    Sie unterbrach mich: »Sag nicht Krankenhaus. Das war eine Anstalt. Er hat mich ins Irrenhaus gebracht. Er meinte, da würde ich hingehören, eingesperrt mit Leuten, die wie die Tiere heulen. Dann hat er dich angerufen und dir das Gleiche erzählt. Deine Mum ist verrückt. Oder nicht?«
    Ich wusste nicht recht, wie ich auf ihr wütend provozierendes Verhalten reagieren sollte, und brauchte einen Moment, um zu antworten:
    »Als du angerufen hast, wollte ich gerade nach Schweden fliegen.«
    »Heißt das, du hast ihm geglaubt?«
    »Warum sollte ich nicht?«
    »Darauf hat er sich verlassen.«
    »Sag mir, was hier los ist.«
    »Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht mit den ganzen Leuten in der Nähe. Wir müssen von Anfang an aufpassen. Wir dürfen keinen Fehler machen. Frag bitte nicht, ja? Noch nicht.«
    Sie wirkte seltsam förmlich, jede Silbe wurde überdeutlich ausgesprochen, jeder Punkt betont. Ich willigte ein:
    »Keine Fragen.«
    Dankbar drückte sie mir die Hand und bat sanft:
    »Bring mich nach Hause.«
    In England hatte sie kein Zuhause mehr. Sie hatte ihr Haus verkauft und war auf den Hof in Schweden gezogen, der ihr letztes und glücklichstes Heim werden sollte. Sie meinte wohl meine Wohnung, Marks Wohnung, dabei wusste sie noch nicht einmal, dass es ihn gab.
    Beim Warten auf Mums Flugzeug hatte ich schon mit Mark gesprochen. Er machte sich Sorgen, vor allem, weil sie nicht mehr unter ärztlicher Aufsicht stand. Ich würde auf mich allein gestellt sein. Ich versprach, ihn auf dem Laufenden zu halten. Meinen Dad hatte ich auch anrufen wollen, aber mit meiner Mum neben mir ging das nicht. Ich wagte nicht, sie allein zu lassen, und hatte Angst, ich könnte parteiisch wirken, wenn ich Dad offen Bescheid sagte, und das durfte ich nicht riskieren – vielleicht würde sie mir dann auch misstrauen oder sogar weglaufen. Hätte mein Dad das nicht erwähnt, hätte ich es mir nie vorstellen können. Der Gedanke jagte mir eine Heidenangst ein. Ich steckte eine Hand in die Tasche und schaltete mein Handy stumm.
    Mum blieb dicht neben mir, als ich Fahrkarten in die Innenstadt kaufte. Ich musterte sie oft und versuchte mit meinem Lächeln zu verbergen, dass ich sie genau im Auge behielt. Manchmal hielt sie meine Hand, was sie nicht mehr getan hatte, seit ich ein Kind war. Ich wollte mich möglichst neutral verhalten, keine vorschnellen Schlüsse ziehen und mir ihre Geschichte unvoreingenommen anhören. Bisher hatte ich nie zu meiner Mutter oder zu meinem Vater halten müssen, weil die beiden mich nie in eine Situation gebracht hatten, in der das nötig war. Alles in allem stand ich meiner Mum ein wenig näher, weil sie stärker in meinen Alltag eingebunden gewesen war. Mein Dad hatte sich immer damit begnügt, sich ihrem Urteil anzuschließen.
    Im Zug wählte Mum die hintersten Plätze des Wagens und lehnte sich gegen das Fenster. Auf diesem Platz, wurde mir klar, hatte sie den besten Blick. Niemand konnte sich anschleichen. Sie nahm ihre Umhängetasche auf den Schoß und hielt sie gut fest, wie ein Bote ein lebenswichtiges Paket. Ich fragte:
    »Ist das alles, was du dabeihast?«
    Ernst klopfte sie auf die Tasche:
    »Das sind die Beweise, dass ich nicht verrückt bin. Beweise für Verbrechen, die vertuscht werden sollen.«
    Diese Wörter hatten so wenig mit dem normalen Leben zu tun, dass sie seltsam klangen. Aber meine Mum hatte sie ganz ernst

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