Ohne Kuss ins Bett
unterrichtet. Vielleicht war das sein Fehler gewesen, sie in der Stadt festzuhalten. Sie überhaupt festhalten zu wollen. Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie da hinzuschicken war kein Fehler. Sie wird die Sache in Ordnung bringen.«
»Ja, das wird sie«, stimmte Southie in seltsamem Tonfall zu, und als North aufblickte, begegnete er Southies mitfühlendem Blick. »Vielleicht solltest du selbst runterfahren. Mal aus dem Büro fortkommen und nachschauen, ob mit ihr alles in Ordnung ist. Ein Mal in dem Haus übernachten, damit du weißt, wie es da ist.«
»Mit ihr ist alles in Ordnung.«
Nach einem Augenblick des Zögerns meinte Southie leise: »Du hättest ihr hinterherfahren sollen, weißt du.«
North sah ihn verständnislos an. »Warum sollte ich ihr hinterherfahren? Sie kommt da unten schon zurecht.«
»Nicht jetzt. Damals. Als sie dich verließ. Du hättest ihr hinterher…«
»Nein.«
»Denkst du nicht manchmal, dass die Scheidung ein Fehler war?«
»Nein«, wiederholte North abwehrend und legte so viel Verzieh-dich-endlich in seine Stimme wie möglich.
»Also, ich dachte das immer«, fuhr Southie fort. »Wenn du ihr hinterhergefahren wärst, hättest du sie wieder zurückholen können. Das hätte sie sich eigentlich gewünscht. Sie war einfach einsam …«
»Sonst noch was?«, erkundigte sich North kalt. »Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich zu arbeiten.«
»Ach ja, richtig. Na, viel Spaß dabei«, sagte Southie und verließ kopfschüttelnd das Büro.
Verdammt . Die Scheidung war kein Fehler gewesen. Andie war damals nur noch ein Häufchen Elend, und er hatte sich elend gefühlt, weil sie sich elend fühlte. Ein Versuch, sie zurückzuholen, hätte daran nichts geändert. Jetzt waren sie beide glücklicher. Und er hatte Arbeit zu erledigen.
Sie hatte so gut, so warmherzig, so harmonisch ausgesehen; sich so gut angehört – bei dem vertrauten Klang ihrer leicht heiseren Stimme war ihm ein Schauer über den Rücken gerieselt –; sich so gut bewegt – ihre Schritte hatten noch immer diesen Rhythmus.
Und jetzt wollte sie wieder heiraten. Schön für sie. Das Leben ging weiter …
Er zog seinen Notizblock zu sich heran und dachte dann: Vielleicht schön für sie. Denn Southie hatte recht, er wusste gar nichts über diesen Kerl, mit dem sie sich eingelassen hatte. Sie wahrscheinlich ebenfalls nicht. Sie hatten damals nach zwölf Stunden phänomenalem Sex geheiratet, und genauso gut konnte sie wieder in eine Falle tappen. Und sie lächelte nicht. Damals, als sie verheiratet waren, hatte sie ständig gelächelt. Anfangs.
Er hob den Telefonhörer ab und rief die Detektei an, die die Kanzlei üblicherweise beauftragte, und bat um eine allgemeine Personenüberprüfung von Will Spenser.
Dann öffnete er die Akte wieder, um mit seiner Arbeit fortzufahren. Beim Anblick des »Andiana« dachte er Nein und riss die Seite heraus. Dann schrieb er alles noch einmal neu. Fehlerlos.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages hatte Andie fertig gepackt und die losen Verbindungen ihres Lebens gekappt. Es gab deren nicht viele, da sie in den vergangenen zehn Jahren im ganzen Land herumgezogen war, und die meisten ihrer Freundschaften, ob lose oder nicht, waren damit im Sande verlaufen. Sie rief nur Will in New York an, um ihm die guten Neuigkeiten zu erzählen. »Zehntausend Dollar, Will. Damit bin ich alle meine Schulden los, und es bleibt noch was übrig. Das ist doch sehr vernünftig und erwachsen von mir, oder?«
»Deine Schulden sind mir egal«, erwiderte er ärgerlich, und sie sah sein jungenhaftes Gesicht vor sich, wie er etwa zwei Sekunden lang grimmig dreinblickte, wenn er überhaupt so lange grimmig dreinblicken konnte, bevor sein Grinsen wieder durchbrach. »Ich bezahle deine Schulden und fertig. Was ich viel lieber hören würde, ist, dass du mich heiraten willst.«
Natürlich , dachte Andie und sagte laut: »Vielleicht.« Sie vernahm ein Pochen aus dem Hörer. »Was ist denn das?«
»Das ist mein Kopf, den ich gegen die Wand schlage.«
Andie grinste. »Das ist dein Telefonhörer, mit dem du auf das Maus-Pad klopfst.«
»Kommt aufs Gleiche raus. Brauchst du immer so lange, bis du auf Heiratsanträge eine Antwort gibst?«
Ich habe fünf Sekunden gebraucht, um Ja zu North zu sagen . »Na klar. Ich wäge ab und wäge ab, und die Jungs fangen an, sich zu langweilen, und verziehen sich. Will, ich möchte das hier wirklich tun. Es ist wichtig für mich, dass ich mich finanziell frei fühle, bevor
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