Ohne Kuss ins Bett
ich ein neues Leben beginne. Ich bin jetzt zehn Jahre lang herumvagabundiert. Ich möchte einen Neuanfang, und dazu möchte ich unter all das einen Strich ziehen.«
»Okay«, erwiderte er in diesem gutmütigen Ton, den sie so liebte. Er war das absolute Gegenteil von North. »Ruf mich an, so oft du kannst. Sag mir, dass du schrecklich gern mit Kindern arbeitest und selbst zwanzig Stück haben willst.«
»Zwanzig?«, rief Andie erschrocken aus. »Ich will gar keine.«
»Na ja, vielleicht änderst du deine Meinung ja noch.« Will zögerte einen Moment, dann fragte er: »Du triffst dich doch jetzt nicht wieder mit North?«
Andie runzelte die Stirn. »Bist du eifersüchtig? Glaube mir, er hatte schon ganz vergessen, dass es mich gibt, bis ich in seinem Büro aufgetaucht bin. Aber, nein, ich werde mich nicht wieder mit ihm treffen.«
»Niemand vergisst dich«, widersprach Will aus tiefstem Herzen. »Denk also bitte daran, mit wem du potentiell verlobt bist.«
»Wie könnte ich das vergessen?«, antwortete Andie und ging dann zu den »Ich liebe dich«-Beteuerungen über, bevor North zu einem alles beherrschenden Thema wurde. Danach ergriff sie den letzten ihrer drei Koffer und ihren CD-Spieler und ging hinaus, um sich ihrer Mutter zu stellen, die in ihrer Jeans und einem verwaschenen T-Shirt auf dem Gehweg vor ihrem kleinen Ziegelsteinhäuschen stand und besorgt Andies zehn Jahre alten, hellgelben Ford Mustang betrachtete.
»Mir gefällt das nicht«, erklärte Flo nun schon zum vierzigsten Mal, und ihr langes, lockiges, langsam ergrauendes Haar flog, als sie den Kopf schüttelte. »Ich habe gestern Nacht von dir geträumt. Du bist in einen Brunnen gefallen.«
»Vielen Dank, Flo«, meinte Andie und öffnete den Kofferraumdeckel. »Das macht mir Mut.«
»Das bedeutet, dass sich dein Unterbewusstsein meldet. Du hast irgendetwas unterdrückt. Das bedeutet auch das Wasser. Das Fallen ist wahrscheinlich ein Bild dafür, dass man die Kontrolle verliert oder, da es um dich geht, dass du vor etwas wegrennst. Du weißt ja, wie schnell du immer Reißaus nimmst.«
»Ich nehme gar nicht Reißaus«, widersprach Andie ihrer Mutter, und auch das nicht zum ersten Mal. »Ich gehe auf die Dinge zu, ich renne nicht vor ihnen weg.«
»Ich glaube, das Reißausnehmen hast du von deinem Vater«, fuhr Flo ungerührt fort. »Du bist ihm sehr ähnlich.«
»Woher sollte ich das wissen?«, versetzte Andie kalt. »Außer dass ich Kinder nicht im Stich lasse, also bin ich ihm nicht ähnlich, absolut nicht.«
»Geh nicht«, bat Flo.
»Weil du einen Traum hattest? Quatsch.« Andie stellte den Koffer neben die bereits im Wagen verstaute Nähmaschine.
»In deiner Ehe gab es so viel negative Energie«, klagte Flo.
Das war nicht negative Energie, das war alles verzehrende Lust . »Ich versuche nicht, in meine Ehe zurückzukehren. Ich kümmere mich einen Monat lang um zwei verwaiste Kinder …«
»Astrologisch gesehen ist das eine schrecklich ungünstige Zeit«, wandte Flo ein. »Deine Venus steht in Norths Steinbock …«
Andie knallte die Heckklappe zu. »Mutter, meine Venus kommt North nicht im Geringsten nahe. Wenn sein Steinbock in meiner Venus wäre, dann könnte ich dich ja noch verstehen, aber er bleibt hier in Columbus, und ich fahre in den Süden.« Sie ging um den Wagen herum und öffnete die hintere Seitentür, um die Kisten mit Schulutensilien, die Kristin ihr mitgegeben hatte, zur Seite zu schieben und Platz für ihren CD-Spieler zu machen, während ihre Mutter ihre Tirade fortsetzte.
»North ist ein Mann mit viel Macht, und du stehst noch immer in Verbindung mit ihm.« Sie runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich sexuelle Erinnerungen. Steinböcke sind unersättlich. Na ja, weißt du, das Einhorn. Und natürlich bist du Fisch. Am Ende landest du wieder im Bett mit ihm.«
Andie knallte die Tür zu. »Weißt du, was ich mir zu Weihnachten wünsche, Flo? Eine Tür, die ich hinter mir zumachen kann. Du darfst sie mir ruhig auch schon früher schenken, wenn du willst.«
»Wenn du North wiedersiehst, dann kriegt er dich erneut rum, und du warst doch so unglücklich mit ihm …«
»Ich werde North nicht wiedersehen. Ich habe eine stabile, sichere Beziehung mit einem liebenswerten Mann vor mir, der mich liebt und mich nicht wegen seines Berufs verlassen wird. Ach ja, übrigens: Ich habe diese grauenhafte Kostümjacke auf dem Bett liegen lassen. Wenn du das nächste Mal etwas in die Kleidersammlung gibst, pack sie mit ein, ja? Keine
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