Ohne Skrupel
wusste JP noch nicht,
was er mit den Informationen anfangen wollte. Er war nicht unbedingt darauf
aus, die Sache an die Polizei zu melden. Im Prinzip war auch er einem guten
Geschäft und ein paar extra Euros nie abgeneigt. Vielleicht sollte er sich ein
Stückchen von diesem Kuchen abschneiden. Aber er hatte noch nicht den gesamten
Überblick. Er musste noch viele Beweise sammeln: Art der Malinger Produkte,
Stückzahlen und Lieferadressen etc. Erst wenn er den vollen Umfang kannte,
konnte er für sich Entscheidungen treffen. Dafür war es noch viel zu früh!
Deshalb würde er die nächsten Monate verdeckt recherchieren und Fakten sammeln.
JP hätte sich liebend
gerne mit jemandem über diese delikate Angelegenheit unterhalten. Dr. Drager,
seine Personalchefin, fiel ihm ein. Sie war die einzige Person aus der
Geschäftsleitung, die er ein wenig zu kennen glaubte. Ja, glaubte! Kannte er
sie eigentlich? Die Angelegenheit mit Dominique Faibré hatte sie unter den
Tisch gekehrt und keinerlei weitere Diskussion zu dem Thema zugelassen.
Dominique war nicht mehr in der Firma beschäftigt, mehr wusste JP dazu nicht.
Irgendwie hatte er seitdem das Gefühl, dass Dr. Drager ihm aus dem Weg ginge.
Sie war sehr intelligent und wohl auch sehr vermögend. Wohnung, Auto,
Lebensstil etc.: Wie sollte er sicherstellen, dass nicht sie die Drahtzieherin
hinter diesem Betrug war? Vielleicht war die Betriebsspionage-Sache ihr persönliches
Ablenkungsmanöver? Vielleicht wollte sie jemand anderen decken? Vielleicht
würde sie JP ans Messer liefern? JP war entbehrlich. Nein, mit ihr konnte er
nicht offen reden! Das konnte lebensgefährlich sein.
Vielleicht mit Herrn
Malinger Senior? Aber dieser steckte sogar vielleicht selbst dahinter?
Vielleicht war dies ein bewusstes Verkaufen der eigenen Produkte unter anderem
Branding. Das kam häufig vor: Die Discounter hatten auch Markenartikel, die
dort günstiger unter anderem Namen verkauft wurden. Wer war schon gegen
Schwarzgeld immun? Vielleicht gehörte diese Import/Export Handelsfirma „Rookie“ – mit Firmensitz in Monaco – soweit hatte JP schon recherchiert - auch dem
alten Malinger. Wie konnte er das wissen? Er musste einfach tiefer graben, sich
Klarheit verschaffen! Davor würde er gar nichts unternehmen!
1. März 2010, Prag
Diese Schweine!
Er hatte gespürt, dass etwas
nicht stimmte. Aber er hatte nicht gedacht, dass sie so weit gehen würden! Mit
dieser Protz-Karre mit deutschem Kennzeichen konnte man nicht einfach in einem
1.000-Seelenkaff herumfahren, beim einzigen Gasthaus absteigen und allen
Ernstes annehmen, dennoch nicht aufzufallen.
Er hatte ein Gespür für
diese brutalen Kerle, diese Soldaten, diese Russenschweine! Er hatte sie immer
schon gehasst und meilenweit gegen den Wind gerochen! Das hier war auch so
einer! Zu alten, kommunistischen Zeiten, da musste er zwangsweise mit der
Stasi, der Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik, paktieren
und war ihr Informant. Aber er hatte diese Militärs noch nie leiden können.
Nach der Wende musste er seine alten Seilschaften zwar leider wiederbeleben und
konnte sie sogar sehr gewinnbringend für sich nutzen. Aber er wollte nun raus
aus dem Sumpf, er wollte nicht mehr mitspielen! Abschließend nur ein bisschen
Cash für seinen Ruhestand – und nun das!
Es war 9:30 Uhr morgens
und sein Schädel tat ihm höllisch weh! Der Verband saß wie ein Turban auf
seinem Kopf und auch sein ganzer Rücken schmerzte. Die Krankenschwester kam ins
Zimmer und begrüßte ihn freundlich: „Guten Morgen, Herr Youl! Wie ist Ihr
Wohlbefinden?“ Ja, Fiodr Youl lebte! Wie durch ein Wunder hatte er dieses
Attentat überlebt. Sein Glück war, dass der kleine Dorfbach im Winter extrem
wenig Wasser führte. Er war zwar im Eis eingebrochen, aber in dem seichten Bach
konnte er beim besten Willen nicht untergehen oder gar unter das Eis driften.
Durch das kalte Wasser war er schlagartig wach und nüchtern geworden. Er hatte
sich mühsam die Böschung hinaufgeschleppt. Die Kellnerin aus dem Gasthaus fand
ihn wenig später auf dem Nachhauseweg, der ebenfalls über die Brücke führte. Dann
Krankenwagen, Krankenhaus in Prag. Schwere Gehirnerschütterung! Die ersten Tage
war er kaum ansprechbar. Jetzt lag er hier und grübelte.
Eine neue Woche,
Entscheidungen standen an. Er, Fiodr, aber auch sein Leibwächter Juri hatten
den Ausländer mit dem deutschen Kennzeichen, ein Mietwagen, wie seine
Schwägerin, die bei der Polizei
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