Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
stellte er selbst eine weitere Frage: „Ist hier außer uns wirklich niemand?“
„Nein!“
Skeptisch schickte der für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität im Bundeskriminalamt zuständige Abteilungsleiter seine Augen auf Erkundungsreise, fand aber auf die Schnelle keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Tannenberg nicht die Wahrheit gesagt hatte. „Gut. Wo’s brennt, fragen Sie? Das kann ich Ihnen sagen: Wessinghage hat sich nicht mehr gemeldet!“
„Verdammt! Seit wann hat er sich nicht mehr gemeldet?“
„Seit heute Morgen, 8 Uhr. Wir haben vereinbart, dass er uns spätestens alle 4 Stunden eine SMS schickt, einfach nur: ›alles klar‹ – sonst nix. Damit wir wissen, dass es ihm und diesem Max gut geht.“
„Verdammter Mist! Hab ich Ihnen nicht gleich gesagt, dass es viel zu gefährlich ist, den armen Max als lebenden Köder zu missbrauchen?“ Wütend setzte sich Tannenberg in Bewegung und begann wild mit den Armen um sich fuchtelnd in seiner Wohnung herumzustapfen. „Was für eine Schwachsinnsidee: Einen unschuldigen, kerngesunden Jungen solch einem Risiko auszusetzen! Das war doch klar, dass der Schutz von diesem komischen Arzt nicht ausreicht.“
„Aber das bedeutet doch nicht, dass die ihn umgebracht haben müssen. Denn auch wenn die irgendwas von unserer Aktion mitbekommen hätten, denk ich nicht, dass die diesem Max etwas antun würden? Warum auch? Wenn die unter Druck kämen, hätten die doch gar nicht mehr die Zeit, den Jungen zu schlachten. Die würden so schnell wie möglich hier die Zelte abbrechen und versuchen, sich aus dem Staub zu machen.“
„Und welche Maßnahmen haben Sie für solch einen Fall vorgesehen, Herr Kriminaldirektor?“
„Tannenberg, nicht so laut!“, mahnte Dr. Pfleger. „Beruhigen Sie sich doch erstmal! Das betreffende Objekt wird natürlich rund um die Uhr observiert. Und wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, werden wir natürlich flexibel darauf zu reagieren wissen. Wir machen ja so was schließlich nicht zum ersten Mal. – Aber wahrscheinlich ist ja nur Wessinghages Handy-Akku leer oder das Ding hat ganz seinen Geist aufgegeben! Eigentlich gibt es noch überhaupt keinen Grund zur Panik.“
„Na, Sie haben vielleicht Nerven!“
„Gott sei Dank hab ich die! Die braucht man nämlich auch in meinem Job.“ Er drehte mit einer hektischen Bewegung seinen linken Arm nach innen, blickte auf die Uhr. „Wir haben in exakt 30 Minuten mit ihm ein Treffen an dieser Burgruine in der Nähe der Schlossklinik vereinbart.“
„An der Wilensteiner Burg?“
„Ja, ich glaube so heißt die. Und wenn er dort nachher erscheint, ist ja alles in Ordnung“, versuchte sich Dr. Pfleger selbst zu beruhigen.
„Und warum kreuzen Sie dann bei mir hier auf und machen die Pferde scheu? – Vielleicht völlig ohne Grund!“
„Ganz einfach: Weil ich Sie gerne dabei hätte. Wer weiß, was noch so alles passiert. Und Sie kennen sich doch hier in der Gegend viel besser aus als wir.“
„Ach, jetzt auf einmal wollen Sie mich dabei haben?“
„Ja, Tannenberg, ich bitte Sie sogar höflichst darum.“
„Na gut, wenn Sie mich so schön bitten, kann ich wohl kaum Nein sagen.“
„Gut, dann sag ich schon mal Danke, Herr Kollege. Können Sie jetzt gleich mitkommen? Wir müssten nämlich direkt los.“
„Fahren Sie ruhig schon mal vor. Ich komme mit meinem eigenen Auto gleich nach. Ich muss nur noch mal schnell aufs Klo.“
„Na gut. Aber beeilen Sie sich bitte.“
Gleich nachdem der BKA-Beamte seine Wohnung verlassen hatte, begab sich Tannenberg aber nicht wie angekündigt zur Toilette, sondern suchte in den Schubladen seines Küchenschranks nach einer Pfälzer-Wald-Wanderkarte, die er irgendwann einmal dort deponiert zu haben glaubte.
Da er sehr in Eile war, komprimierte er den Suchvorgang dadurch, dass er die einzelnen Holzschubladen, sofort nachdem er sie herausgezogen hatte, auf den Kopf stürzte und den Inhalt vor sich auf dem Boden ausbreitete. Bei der dritten Ladung hatte er endlich Glück und fand tatsächlich die gesuchte Wanderkarte, die er auch sogleich auf seinem Küchentisch ausbreitete.
Gierig gruben sich seine Augen in die Gegend um das Trippstadter Schloss und die nicht sehr weit davon entfernt gelegene Burgruine Wilenstein. Mit flackerndem Blick versuchte er so schnell wie nur irgend möglich alle notwendigen Informationen daraus aufzunehmen und sie abzuspeichern.
Als er sich genügend darin geweidet hatte, schlug er, ohne jegliche
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