Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Freundes meiner Nichte sehr am Herzen liegt. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie sehr das arme Mädchen leidet.“
„Natürlich kann ich das, lieber Tannenberg. Aber was ist denn mit den anderen Freundinnen, Geschwistern, Eltern dieser unzähligen Toten, die diese profitgierige Mafia auf dem Gewissen hat – und den vielen anderen jungen Menschen, die von diesen skrupellosen Verbrechern abgeschlachtet und dann wie ein Stück Vieh ausgeweidet wurden – und immer noch werden! Nur um an ihre gesunden Organe zu gelangen, die dann wie auf einem orientalischen Bazar meistbietend verschachert werden.“
Für einen Augenblick herrschte absolute Funkstille zwischen den beiden Kriminalbeamten.
„Sie haben ja Recht.“
„Sehen Sie, Kollege Tannenberg, so gefallen Sie mir schon bedeutend besser! Was meinen Sie wohl, wie diese enorme Verantwortung auf mir lastet. Wie ein riesiger Felsbrocken, kann ich Ihnen flüstern. Aber was soll ich denn machen? Wir müssen dieses Risiko einfach eingehen. Wir haben keine Alternative! Uns bietet sich hier die einmalige Chance, dieser international agierenden Organ-Mafia das Handwerk zu legen, an die versteckten Hintermänner ranzukommen. Das dürfen wir doch nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, oder?“
„Nein, aber …“
Dr. Pfleger schnitt ihm das Wort ab. „Nichts aber! Und denken Sie ja immer daran: Sie müssen alles, was Sie über die Sache wissen, absolut für sich behalten. Ist das klar? Totales Stillschweigen, kein einziges Wort an irgendjemanden!“
„Ja, verdammt!“, knurrte Tannenberg. „Aber ich hab einfach Angst um diesen armen Kerl, der diesen Schurken völlig hilflos ausgeliefert ist.“
„Aber das stimmt doch gar nicht! Erstens passt Dr. Wessinghage gut auf ihn auf – und hat das ja im Übrigen auch schon getan! Denn ohne seinen genialen Trick mit dieser fiebrigen Infektion wäre er wahrscheinlich schon gar nicht mehr am Leben.“
„Ja, stimmt.“
„Vielleicht kommt ja alles viel schneller, als wir denken, zu einem Ende.“
„Hoffentlich zu einem guten.“
Es klopfte an der Tür. Tannenberg verabschiedete sich zügig von seinem Gesprächspartner und legte auf.
„Herein!“, schrie er absichtlich lauter, als es unbedingt nötig gewesen wäre.
„Warum schreist du denn so?“, fragte Sabrina Schauß, die gemeinsam mit ihrem Ehemann im Dienstzimmer des Kommissariatsleiters erschien.
„Sag mal, Wolf, was ist denn eigentlich mit dir los?“, fragte Michael Schauß mit ernster Miene.
„Wieso?“
„Das fragst du? Du sperrst dich in deinem Büro ein, schaltest die Gegensprechanlage ab und willst nicht gestört werden. Bei was denn, wenn ich fragen darf? Was treibst du denn hier? Das ist ja richtig konspirativ!“
„Jetzt halt aber mal die Luft an, Michael! Ich bin doch kein kleines Kind mehr, das man andauernd beaufsichtigen muss – damit es keinen Blödsinn macht. Ich bin der Leiter des K1 und hab mich Kraft dieses Amtes meinen Mitarbeitern gegenüber nicht für mein Verhalten zu rechtfertigen!“, gab Tannenberg scharf zurück und ergänzte mit vorsätzlicher Arroganz: „Denn ich bin hier der Chef, und sonst niemand! Auch wenn ein junger Kommissar schon mal gemeint hat, mich vorzeitig beerben zu können.“
„Was sollen denn diese alten Kamellen schon wieder? Ich hab damals, als du dir im Suff den Arm gebrochen hattest, nur kommissarisch die Leitung übernehmen sollen. Und du weißt ganz genau, dass diese Anordnung von ganz oben gekommen ist! Warum kochst du das immer wieder auf? Ich hab schon genug darunter gelitten! Meinst du, ich hätte mich damals gefreut, als du mir andauernd den Fouquet vorgezogen hast?“
Mit Tränen des Zorns in den Augen machte daraufhin Michael Schauß eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Tannenbergs und entfernte sich anschließend aus dem Raum.
„Wolf, was ist denn nun wirklich mit dir los?“, fragte Sabrina mit sanftmütiger Stimme und setzte sich ihm gegenüber auf den Besucherstuhl.
„Ach, nichts weiter, Sabrina. Ich steh nur im Moment unheimlich unter Druck.“
„Ja, aber warum denn? Wir helfen dir doch alle gerne, wenn wir können.“
„Weiß ich ja.“ Nervös wiegte er den Kopf, presste die Lippen aufeinander, schlug mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte. „Ich kann aber nicht darüber reden.“
„Hat es denn was mit dieser Frau, mit dieser Ellen Herdecke, zu tun?“
Tannenberg war sehr überrascht, konnte für einen Augenblick nicht antworten. „Was? … Mit Ellen?
Weitere Kostenlose Bücher