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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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„Ach so, nein, das wird jetzt kein Geständnis … ich wollte sagen: Als ich losgegangen bin, ist es mir nicht so gut gegangen … ich bin … na ja, ich habe zurzeit ein paar Probleme … und jetzt, jetzt ist es mir richtig leicht ums Herz. Seltsam, oder?“
    „Der Tod erinnert einen auch an das Leben“, meinte Schäfer, wusste nichts mehr zu sagen und wollte auch nicht aus dem warmen Wagen in die Kälte hinaus.
    „Sie werden bald wissen, wer diese Frau ist, oder?“, fragte der Mann, und als Schäfer nichts erwiderte, redete er einfach weiter, als ob er dem Polizisten eine Gutenachtgeschichte erzählen wollte. Gut zehn Minuten verlor sich Schäfer in der Erzählung des Mannes über die Donau, den Alberner Hafen und seine Toten, bis er sich bewusst wurde, warum er eigentlich hier war.
    „Haben Sie noch was vor oder …?“, fragte Schäfer und schob die Tür auf.
    „Nein, ich warte hier … lassen Sie sich ruhig Zeit.“
    Schäfer drückte die Tür zu und machte sich auf den Weg. Die Halogenscheinwerfer zeigten ihm den Fundort schon von weitem an. Mittlerweile war es finster geworden, aus dem tiefen Nebel nieselte es leicht, Schäfer steckte seine Hände in die Manteltaschen und zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Als er nahe genug war, um seine Kollegen zu sehen, zwei Beamte der Spurensicherung in ihren weißen Schutzanzügen, Bergmann und Kamp, die sich miteinander unterhielten, den Arschkriecher Strasser, der etwas abseits die Wiese absuchte, einen jungen, ihm unbekannten Mann, der in ein Notizbuch schrieb, als Schäfer den mit einer schwarzen Plastikfolie abgedeckten Leichnam sah, überkam ihn das Gefühl, mit dem er seit dem Vierfachmord in Kitzbühel bei fast jedem Einsatz zu kämpfen hatte: Angst, Schwäche, Verzweiflung, eine Verlorenheit, als ob er ohne Möglichkeit einer Einflussnahme in einem Albtraum stünde, diese Ohnmacht, ein Zittern und der Wunsch, ganz woanders zu sein, ohne dass er sagen konnte, wo genau das wäre. Ein Burn-out, hatte er sich anfangs gedacht, ganz normal nach einem langwierigen Fall, der einem auch persönlich nahegeht; ein, zwei Wochen Urlaub, auf andere Gedanken kommen, dann würde es schon wieder werden. Doch es war nicht geworden.
    Bergmann kam die Böschung herauf und begrüßte ihn freundlich.
    „Und?“, fragte Schäfer.
    „Weiblich, dreißig bis vierzig, keine Papiere, ist erst ein paar Stunden im Wasser gelegen, ziemlich sicher ertrunken, wie unser neuer Doktor meint.“
    „Der da unten?“, Schäfer deutete auf den Mann mit dem Notizbuch. „Wie alt ist der, zwanzig?“
    „Der sieht nur so jung aus … Koller hat ihn hergeschickt, also wird er schon was können …“
    „Na ja“, meinte Schäfer und ging mit seinem Assistenten in Richtung Ufer, um sich umzusehen.
    Nachdem er Oberst Kamp und die Beamten der Spurensicherung begrüßt hatte, ersuchte er den Gerichtsmediziner, die Tote abzudecken. Eine zierliche blonde Frau, an die fünfzig Kilo und nicht mehr als einen Meter fünfundsechzig, wie Schäfer schätzte. Im Gesicht und an den Händen hatte sie zahlreiche Abschürfungen, um den Mund erkannte er weißen, eingetrockneten Schaum. Er ließ sich von Bergmann ein Paar Latexhandschuhe geben und untersuchte vorsichtig die Kleidung der Frau.
    „Markenware, gute Qualität, aber auch nicht übermäßig teuer, wetterfest, flache Stiefel“, protokollierte er leise für sich selbst, „leere Taschen … da fehlt eine Handtasche …“
    „Was haben Sie gesagt?“, fragte Kamp, der mittlerweile neben ihm stand.
    „Habt ihr eine Handtasche gefunden?“
    „Nichts“, meinte Bergmann, „aber einer von der Streife sucht weiter oben das Ufer ab.“
    „Gut“, erwiderte Schäfer und sah schweigend auf den Fluss hinaus. Das sah nicht nach einem Sexualverbrechen aus. Und ein Raubmord in dieser Gegend … Blödsinn, Schäfer … Wieso in dieser Gegend? Die Frau konnte doch weiß Gott wo in die Donau gefallen sein. Vielleicht hatte sie sich ja einfach fallen gelassen. Sich dem kalten Wasser hingegeben in der Hoffnung, dass es alles auflöste.
    „Ah, Major Schäfer“, riss Strasser ihn aus seinen Gedanken, „ich dachte, Sie wären krankgeschrieben.“
    „Offensichtlich nicht mehr“, meinte Kamp trocken, der Schäfers Widerwillen dem Chefinspektor gegenüber kannte und dessen schmeichlerische Arroganz ebenfalls schlecht vertrug.
    „Also übernehmen Sie jetzt die Angelegenheit?“, wollte Strasser wissen und strich sich die nassen Haare zurück, als

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