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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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E NDE und mir Zwischenhaltestelle zu sein. Von Herrn Spöking auf Frühtour halbtief eingeschlitzt,von mir beim Brötchengang dem Schlitz entnommen, komme das Blatt nur in sacht sensorischen Kontakt mit der Postbox. Zu einer scheuen Berührung lediglich, aus der sich keinerlei Baraufschlag, Draufkauf oder kostentreibender Sonderdienst errechnen lasse.
    Erst einmal in solchem Gruseln, erschien mir bald der Stegbewohner selbst vorm unbillgeübten Auge. Bei meinem ersten Einsatz als mein eigener Kurier stand er neben dem taubenhausgroßen Postbehältnis und reichte mir aus seinem Briefschlitz meine Zeitung. Um mich beim zweiten Mal umschweiflos in sein umspültes Heim zu bitten. Um mir beim dritten Mal Einblick in seine Autobiographie zu gewähren. Um beim vierten Mal ein Kapitel daraus vorzutragen, das von seiner Bekanntschaft mit einem Ruderer handelte, der Jahr für Jahr, man denke, bei ihm rudern kam. Um beim fünften Mal seine Lesung, die einen Nagel zum Gegenstand hatte, der gerade noch in die Bank geklopft werden konnte, ehe er jemandem die Hosen zerriß, schon auf der Straße zu beginnen. Um mir beim sechsten Mal statt meines E NDE s eine Kopie seiner Memoiren ins Fahrzeug zu wuchten. Damit ich mir, ließ er mich in meinem argen Hörgesicht wissen und sah dabei drein wie der Zwilling vom wilden Wassermann, eine Meinung bilden und ihm diese beim nächsten, dem siebenten Male ohne jegliche Schonung seines unerschrockenen Textes oder seiner schöpferischen Person vortragen könne.
    Nach solchem Alpdruck schloß ich das Bootshaus trotz seiner kostengünstigen Stadtrandlage aus. Meiner Hütte schon nahe, bedachte ich schaudernd weitere Wege, auf denen ich in den Genuß meiner Zeitung gelangen könne. In Genuß, also bei Tagbeginn und Tatenlust. Der Schulbusfahrer entfiel; ihn würde ein Ethos regieren, das dem der Theaterwache ähnlich war. Nach Baumhöhlen als Nachrichtsnischen hielt ich Ausschau. Und unterließ es, als mir der Bundesanwalt und seine Häscher vors schuldbeladene Auge traten. Auf Raketen von der schwärmerischen Art, die dafür sorgt, daß man mit angesengtem Fell ins Gute Neue Jahr gelangt, bin ich verfallen. Angesichts Herrn Spökings Trefferquote strich ich das Projekt. Ein vigilanter Hund schwebte mir vor, der einmal proWerktag trainierte Wege lief und danach sein Hundeleben nach eigenem Gusto lebte. Es scheiterte dies an Dressur- und Futterfragen wie auch solchen der Besteuerung. Brieftauben erwog ich, aber gleich auch das Gewicht vom E NDE . Es hätte kleinerer Journale oder größerer Tauben bedurft. Selbst einen stämmigen Radler zog ich in Betracht, der in jedem frühen Morgenlicht stadther über den Holzweg kam. Doch als ich meinte, er könne mich als Ansprechpartner verkennen, entließ ich den Gedanken.
    Und rief die Referentin an, ihr vom Problem zu sagen. Meine Ansicht, auch das Leben sei nichts, was sich nicht mit etwas Geld verbessern lasse, teilte sie und bedauerte die schwierige Lage. Infolgederer ich sie bitte, sagte ich, das E NDE künftig doch auf die Post zu geben. Sie könne es auch selber bringen. Ihr Lachen ließ mich wünschen, sie tue das.
    Sie tat es nicht, und ich lebe mehr oder minder unbelebt durch den jeweils ersten Teil meiner Tage. Die Brötchen gab ich auf; sie munden unbegleitet nicht. Vom Schwarzbrot nehme ich statt des halben einen ganzen Laib. Mein Blechknecht müßte sich, seit ihn Herr Spöking nicht mit Ideen belädt, fast wie ein freier Mann vorkommen. Ich fühle mich als solcher und führe mich als solcher auf. Was in O KARINA -Zeiten nie gestattet war, erlaubt sich nun: Ich lese zur Mittagskost die Mittagspost oder löffle zu dieser jene. Wie ich die Suppen der Welt in mich fülle, fährt Heimat schwarz auf weiß bei mir vor. Auf die Gefahr, nach sauren Trauben zu klingen: Es ist unter den Neuigkeiten, die ich dem Morgenblatt gegen Mittag entnehme, nur selten eine, die nicht über den Abend und jegliche Nacht hinaus, von mir aus, versteht sich, noch eine Weile hätte warten können.

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    Sollte ich die Wirkungen des Wechsels aus der hastigen Stadt auf das ruhige Land, der sich einem größeren Wechsel verdankte, auf meine Schreiberei beschreiben, spräche ich nichtwie Ronald Slickmann von Stilleben, sagte aber, ich sei ins Miniatureske geraten. Oder, Tonwechsel, vom Hieb mit der Trompete zum Säuseln auf dem letzten Loch. Alles in allem führte mein Umzug nicht nur sinnbildlich von einem fließenden an ein stehendes Gewässer, genauer, vom Dammersee, durch

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