Okarina: Roman (German Edition)
Zeitung E NDE hin, welche in des Bäckers hoffentlich bald leerem Laden meiner harrte und längst schrie: Zieh mich raus, zieh mich raus; wir sind überm Warten schon schwarz geworden!
Was übertrieben wäre. Die braven Leute wollten nur das E NDE nicht; auch waren ihre Geschäftsräume nun leer. Aberinsofern zum Platzen voll, als mein unerwünschtes Blatt noch in ihnen lagerte. Unerwünscht , ein Wort wie ein Peitschenhieb. Obwohl in Buchstaben nur sagend, es liege ein Wunsch nicht vor. Ich hätte es im Geist der Schreibreformation gern augenblicks erörtert. Jedoch sahen Herr Curtius und Frau nicht nach Erörterung, nur nach Ordnung aus. Sie standen neben ihrem Regal und hatten das Journal und mich im Auge, indes seine und meine Halbwertszeit verstrich.
Ob ich das sei, fragte der Mann. Die Frau nickte. Ob sie das sei, fragte er mich und nickte zur Zeitung. Ich nickte auch. Dann gefroren wir zum kaum noch lebenden Bilde. So daß mir knapp die Wärme verblieb, mich Was tun? zu fragen. Worauf die Antwort auf meine klirrende Zunge kam, ein Weißbrot hätte ich außer den Brötchen gern. Und Hefe, zu der ich die Menge nicht wisse, da ich selten mit dieser Ursubstanz hantiere. Also das hausübliche Quantum. Und, beinahe hätte ich’s vergessen, mein E NDE bitte.
Weil an den Bäckern eine Bereitschaft war, mir bei unveräußerlichem Abscheu für meine philosophische Position weiteres aus ihrer Produktion abzutreten, sprach ich aus wiederbelebtem Munde, sie hätten die Depesche nicht länger zu fürchten. Der Irrtum, sie betreffend, sei geklärt. Ein Versehen in der Kommunikation. Ausgerechnet beim Umgang mit mir. Von den unvermeidlichen Logistikfehlern einer. Das komme dabei heraus, wenn unbelebte Anrufbeantworter Stille Post miteinander spielten. Verwirrung aus dem Geist der Zeit; sie wüßten schon.
Zumindest letzteres klang überzogen. Doch hätte ich über den Abschied von meinen zeitweiligen Posthaltern hinaus auch noch gewußt, wo ich am Montag mein E NDE finden werde, wäre der Sonnabend trotz zusätzlicher Ausgaben ein befriedigender Samstag geworden. So aber wandte ich das Wochenende vornehmlich darauf, Freunden meine neue Adresse mitzuteilen, die mir schon unter der alten nicht geschrieben hatten.
In Erwartung von Herrn Spökings Anruf blieb ich dem Telefon gegenüber ganz Ohr. Und für des Blechknechts Blinklicht ganz Auge, so oft ich aus Küche oder Bad zurück ins Zimmer kam. Natürlich wurde es später Sonntag, und natürlichhatte ich dem Apparat nur für Minuten den Rücken gekehrt, als mir Vermittler Spöking via Maschinenchip übermittelte, nicht nur alles, sondern auch die E NDE -Sache sei, mein Einverständnis vorausgesetzt, klar: Buchhandlung Ingermann, Welfenallee 4.
Das sprengte die Entwürfe. Der Punkt lag im Stadtzentrum und würde mein Informationssproblem mit einer Parkplatzfrage anreichern. Auch machte mir Unbehagen, daß man die Welfenallee, welche vordem Wolfenallee hieß, Welfenallee getauft hatte, weil Wolfenallee einem Teil der gebildeten Nation unerträglich ostlastig klang. Wegen des assoziierten Rattenschwanzes aus Wolfen, Mutter Wolfen, Agfa, Buna, Leuna, Bitterfeld am Bitterfelder Weg, Ulbricht, Becher, Hauptmann, Biberpelz, den Webern und dem roten Hahn. Andererseits leuchtete mir der Laden als E NDE -Zielort wie als Zwischenhalt der formidablen Zeitung ein. Ob man einen ordentlichen Literaturhandel ohne eine Zeitung wie das E NDE verläßlich betreiben könne, wollte ich bezweifeln. Einzig die Gepflogenheit dieserart Gewerbetreibender, ihre Basare kaum vor neun, also nicht synchron mit den Bäckern zu öffnen, schränkte die Schönheit der Lösung ein. So gesehen, hätte es auch gleich die Zustellung durch die Post und ein welkes Blatt zur Mittagszeit sein können.
Es nahm dem Zeitfaktor von seiner Schroffheit, daß eines Kettenladens Backwerktheke auf dem Wege lag. Bevor ich mich fragen konnte, was mir das nähere Bedürfnis sei, das nach Brötchen oder nach Zeitung, gab ich mir eine aufs Maul und betrat Glock neun die Bücherstube Ingermann. Warum sie erst zu dieser Stunde geöffnet wurde, zeigte sich, als weder in den Sekunden meines Eintritts noch während der Minuten meines Verbleibens ein weiterer Kunde die zentral gelegene Handelsniederlassung betrat. Genauer: Es war nicht ein weiterer Kunde, der nicht kam, sondern, was nicht kam, war ein Kunde. Ich war ja keiner. Ich kam meiner Zeitung wegen und konnte allenfalls als Kunde von deren Herstellern gelten.
Was die
Weitere Kostenlose Bücher