Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
den die Spree, die Schwester der Havel, geht, zum Grothensee, der sich aus einer Quelle speist. Mein Ausschreiten hat sich zum Aufderstelletreten verkürzt. Dennoch ginge die doppelt lachhafte Behauptung zu weit, aus einem der selbsternannten Herren der Geschichte sei deren Knecht geworden. Oder etwa, das Ideengefäß tauge infolge allzuvieler Löcher gerade noch zum Sieb. Es ist nur so, daß in meinem jetzigen Zirkel sehr kleine Dinge die Welt regieren. Ach was, die Welt; mich regieren sie.
    Sooft ich, um ein weiteres Beispiel zu nennen, meinen Frondienst zugunsten der heimischen Licht-und-Wasser-Anstalten bedenke, macht es mich froh, nicht auch noch Gaskunde zu sein. Nur wenn ich besonders unfroh bin, sehe ich darin einen Mangel. Zwar verstehe ich, daß mancheins angesichts meiner Adresse zwischen mecklenburger Busch und strelitzer Tal allsogleich von Tälern weit, o Höhen, o schönem grünen Wald schwärmt und bei Wörtern wie Strom oder Bäche vornehmlich an Ostern und Spaziergang denkt. Mir jedoch übersetzen sich diese Vokabeln zunehmend in Energiebescheide.
    Schuld an meiner neuen Empfindlichkeit ist, daß ich leichtlebiger Mensch die Geld-Ware-Beziehungen in der kommoden O KARINA -Abteilung meines Vorlebens wenn überhaupt, so doch nicht als besonders drückend empfand. Man zahlte niedrige Gebühren, und einem wie mir, der, verstrickt oder nicht, über den Loseblattblatt-Dienst hinaus ein unterhaltend belehrendes Garn zu spinnen wußte, wurden seine Sachbuchsätze nach hohen Sätzen honoriert.
    Hinzu kommt zugespitzt Individuelles: Als es mir zu gut ging, heiratete ich sowohl mit Sonja Butterweck als auch mit Jennifer Król über meine Verhältnisse, kaufte auf Anraten der einen dieser mir zeitweilig nahen Personen und nicht zum späteren Mißfallen der anderen ein Stück Ödland, das nachmeiner Ansicht und entgegen der von Frauen und Kindern viel zu groß war, rodete Gestrüpp, pflanzte Bäume, stellte auf den redlich erworbenen Grund den anläßlich einer Eiskalamität bereits erwähnten Bungalow und erwärmte dessen größten Raum per Nachtstrom-Aggregat.
    Es war dies ein mannshohes, mit grünen Kacheln umkleidetes Kraftwerk, auf dem man zur Not hätte schlafen können. Eine hölzerne Ofenbank und eine hölzerne Ofenleiste, die anfangs mehr Zierrat als Möbel schienen, faßten das Mauerwerk ein.
    Das Wort anfangs deutet auf späteren Sinneswandel und auf Wenden hin, die ich bereits namhaft machte und kein weiteres Mal namhaft machen möchte. Nur soviel noch: Wie die eine Verbindung längst perdu ist, fußt die andere auf verhehltem Kummer und Erwägungen zum bürgerlichen Eherecht. Was mit einem zugereisten Ausdruck Datsche hieß, wurde mir Zuflucht. Weniger atemlos: Aus meinem zweiten Wohnsitz ist, wie längst gesagt und längst noch nicht begriffen, der einzige geworden. Das ging mit einem behördlichen Federstrich. Im Zuge gütlicher Einigung, ich neige zu solchen, wurde noch einmal halbiert, was seit der ungütlichen Vereinigung auf dem Konto verblieben war. Von da an hieß es: Rechne, Schreiber!
    Auf den Ofen mußte ich zwar nicht, aber in der kühlen Flur meines Arbeitsraumes beschäftigte mich überm Kassenauszug die wahrlich brennende Frage, ob nicht ein offenes Feuer aus gebrauchten Scheinen günstiger käme als der Umweg via Heizungswärme, Energieeinsatz und Kontenbewegung. Am Ende eines Denkprozesses, der in erdnahen Bahnen blieb, weil sich die Vagheit meiner thermodynamischen Erwägungen mit der Gewißheit meiner nichtdynamischen Einkünfte ausbalancierte, wußte ich: Nicht nur das Grundstück und der Raum in der Hütte waren zu groß, auch der Ofen war es. Der Raum insofern für den Ofen, als dieser jenen bei entsprechenden Außengraden nicht auf ansprechende Binnengrade brachte. Und der Ofen für mich, weil die Zählerscheibe und mein bängliches Rechenhirn vergleichbar eilige Kreise zogen.
    Manchmal in dieser klammen Zeit, in der statt der Zimmertemperatur mein Temperament anstieg und ich mehr undmehr dazu neigte, mich für die Erderwärmung zu erwärmen, erleichterte es mich, daß meine Feuerstelle nicht als Stätte wirklichen Feuers, sondern als eine elektrisch vermittelten Brandes galt. Denn in der Spannung zwischen der mäßigen Leistung des Ofens und der unmäßigen Belastung meines Kontos lud sich in mir eine nie gekannte Wut zur Hitze auf, in der ich, wäre im Herd eine Lohe und zwischen den Kacheln eine Luke gewesen, mein Mobiliar verfackelt hätte. Allem Holz voran die Bank und

Weitere Kostenlose Bücher