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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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stöhnte leise. Die jüngsten Ereignisse hatten seine letzten Hoffnungen zunichtegemacht, eines Tages doch noch ein normales Leben führen zu können. Das Restaurant, das er mit Pierre zusammen mitten in London eröffnet hatte, war ein letzter Versuch gewesen. Und auch der war nun gescheitert. Er stellte sich die Küche vor, auf die er so stolz gewesen war. In diesem Augenblick lag sie vermutlich unter demselben dunklen Schlamm begraben, in dem die ganze Welt zu versinken drohte. »Wir müssen hier weg … sofort«, hatte Dragomira gesagt. Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Worte aussprach, doch diesmal hatten sie noch trauriger geklungen als all die Male vorher und hatten bittere Erinnerungen bei Mutter und Sohn he­raufbeschworen. Pavel schüttelte den Kopf, um diese Bilder zu verscheuchen. Es brachte ja nichts, der Vergangenheit nachzutrauern. Das Wichtigste war jetzt, seine Frau Marie aus den Händen der Treubrüchigen zu befreien. Er richtete sich auf, als Dragomira zu ihm trat und ein Metallfläschchen aus ihrer Umhängetasche zog.
    »Trink das, mein Junge«, murmelte sie.
    »Dein berühmtes Heilziest-Elixier?«, fragte er und grinste schief.
    »Also, das schmeckt echt schaurig!«, platzte Oksa heraus. »Wirkt aber Wunder! Hinterher fühlst du dich wie neugeboren.«
    Der Enthusiasmus seiner Tochter entlockte Pavel ein weiteres Lächeln. Er leerte die Flasche in einem Zug.
    »Bah … schmeckt wie Sumpfwasser«, stellte er fest und schüttelte sich. »Wenn ich nicht vollstes Vertrauen zu dir hätte, meine liebe Mutter, würde ich glauben, du willst mich vergiften. Am Aroma dieses Gebräus solltest du jedenfalls noch ein wenig arbeiten.«
    Oksa seufzte erleichtert. In puncto Galgenhumor war ihr Vater unschlagbar.
    »Ich werde mich bei nächster Gelegenheit mal daransetzen«, versprach Dragomira.
    »So, nun aber genug gefaulenzt!«, rief Pavel plötzlich mit neuer Energie. »Weiter geht’s.«
    Im Licht des anbrechenden Tages schlängelte sich der Pfad, dem die Rette-sich-wer-kann folgten, durch eine karge, hügelige Landschaft. In den Büschen hingen Nebelschwaden und verliehen der Szenerie etwas Gespenstisches. Über den Freunden brummten die Hubschrauber der britischen Armee wie wild gewordene Bestien am Himmel und machten den Einsatz jeglicher magischen Fähigkeiten unmöglich. So marschierten alle schweigend vor sich hin, während ihnen die bedrückenden Bilder des überschwemmten London durch den Kopf gingen.
    »Alles okay, Kleine Huldvolle?«
    Oksa blickte zu Tugdual hinüber, der neben ihr ging. Der junge Mann bewegte sich leichtfüßig über den Boden und tippte dabei auch noch unablässig auf seinem Handy herum. Die nassen Haare verdeckten einen Teil seines bleichen Gesichts, sodass Oksa nur sein Kinn sehen konnte. Sie hätte nicht sagen können, ob Tugdual gut aussah oder nicht – seine Ausstrahlung ließ sich nicht in solchen Kategorien fassen. Ihr kam er vor wie ein schwarzer Panther: die geschmeidigen Bewegungen, die außergewöhnlich scharfen Sinne und vor allem diese düstere und irritierende Anziehungskraft, die von ihm ausging und die sie völlig durcheinanderbrachte.
    »Na ja, einigermaßen«, antwortete sie ohne Überzeugung. »Ich bin einfach völlig fertig. Körperlich und geistig«, sagte sie und wrang ihren pitschnassen Baumwollschal aus.
    Über Tugduals Gesicht huschte ein Lächeln.
    »Wie geht’s dem Rest der Welt?«, fragte Oksa mit einem Blick auf sein Handy.
    »Dem ging’s schon mal besser«, gab Tugdual zurück und steckte das Telefon abrupt weg. »Sagen wir mal so: Du wirst einiges zu tun haben, wenn du dieses ganze Chaos wieder in Ordnung bringen willst.«
    Oksa runzelte die Stirn. In diesem Augenblick fühlte sie sich wieder einmal vollkommen erdrückt von der Last ihrer Verantwortung. Sie war die Junge Huldvolle, und von ihr hing die Zukunft der Welt ab. Beider Welten … des Da-Draußen, wo sie geboren war, und die Edefias, wo ihre Familie herkam. Offenbar besaß sie allein die Macht, das Gleichgewicht wiederherzustellen, und dabei hatte sie nicht die leiseste Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollte.
    »Vergiss nicht, dass wir bei dir sind!«, murmelte Tugdual, als könne er ihre Gedanken lesen. »Du bist nicht allein.«
    Da hatte er recht. Sie brauchte sich nur umzusehen. Sie war umgeben von Rette-sich-wer-kann: den Pollocks, den Bellangers, den Knuts und nicht zu vergessen Abakum, Zoé und Remineszens. Alle standen solidarisch an ihrer Seite. Doch ihre Mutter

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