Oksa Pollock. Der Treubrüchige
sie, wie ein Teil von ihr in Form einer kaum wahrnehmbaren Dunstwolke aus ihr heraustrat, eine Art durchsichtige Silhouette ihres Körpers. Sie sah, wie die Silhouette sich auf Gus zubewegte und an ihrer , Oksas, Stelle tat, was sie selbst sich so sehr wünschte: das Kinn des Jungen anzuheben und seinen Kopf in ihre Richtung zu drehen. Gus runzelte die Stirn, überrascht vom vagen Gefühl einer Berührung, während Oksa das Phänomen wie gebannt beobachtete. Dabei spürte sie selbst an ihren Fingerspitzen die Berührung mit der Haut ihres Freundes …
Um Himmels willen, was passierte da bloß?, fragte sie sich erschrocken. Erschöpft ließ Gus es einfach geschehen, und die Blicke der beiden trafen sich endlich. Zum ersten Mal seit Tagen floh Gus nicht vor Oksa, und er selbst schien darüber am meisten verblüfft. Oksa hielt seinem Blick stand. Die seltsame dunstartige Erscheinung verflüchtigte sich, und auch wenn ein Unbehagen zwischen ihnen spürbar blieb, so war wenigstens der Blickkontakt wiederhergestellt, und das war erst einmal das Wichtigste.
»Ä-häm …«
Zwei kleine Geschöpfe in apfelgrünen Latzhosen waren neben Gus aufgetaucht. Eines war pummelig, das andere lang und dünn, aber beide hatten große Kulleraugen, ein rundes Gesicht und eine rosige, von einem feinen, durchsichtigen Flaum bedeckte Haut.
»Oh, die Plemplems! Hallo, ihr zwei«, sagte Gus.
»Unsere ehrerbietigsten Grüße ergehen an den Freund der Jungen Huldvollen«, hob der Plemplem an.
»Äh … danke«, stammelte Gus, ganz überrascht von der respektvollen Anrede.
Da die beiden pausbäckigen Geschöpfe hartnäckig schwiegen, fügte er hinzu:
»Kann ich etwas für euch tun?«
Leomidos Plemplems nickten heftig und hielten ein kleines Geschöpf hoch: Es war ihr Kind, ein Plemplem-Baby, und zugleich ein kleines Wunder, denn es war der einzige Plemplem, der je im Da-Draußen geboren worden war.
»Der ist ja total süß!«, rief Oksa.
»Die Dienerschaft des Für-immer-eingemäldeten-Meisters leistet den Beitrag eines Gesuchs, dessen Inhalt sogleich vorgetragen werden wird, Freund der Jungen Huldvollen. Die Nachkommenschaft der Plemplems hat die Konservierung einer Erinnerung voller Wärme getätigt, in der Ihr die Einwilligung gegeben habt, seinen Körper im Schoß zu wiegen und in Liebkosungen zu hüllen …«
Gus warf seine kohlrabenschwarzen Haare nach hinten, wodurch sein schön geschnittenes Gesicht mit dem asiatischen Einschlag voll zur Geltung kam. Es stimmte, dass er bei seinem vorigen Aufenthalt bei Leomido das Plemplem-Baby auf seinem Schoß hatte schlafen lassen. Er war an jenem Abend wütend gewesen. Auf Oksa und auf sich selbst. Genau wie heute. Er schaute flüchtig zu Oksa hinüber, die sicherlich auch gerade daran dachte. Plötzlich fiel alle Scheu von ihr ab, sie zwinkerte ihm zu und lächelte verschwörerisch – was Gus spontan erwiderte. Sie strahlte.
»Ob der Wunsch einer Wiederholung wohl im Rahmen des Vorstellbaren wäre, lautet die Frage?«, fuhr der Plemplem fort, der inzwischen vor lauter Verlegenheit violett angelaufen war.
»Natürlich!«, antwortete Gus und beugte sich vor, um den Kleinen entgegenzunehmen, der leise vor sich hin brabbelte.
Er war keinen halben Meter lang, rundlich und weich. Die großen blauen Augen glänzten wie Murmeln und waren ehrfürchtig auf den Jungen gerichtet. Das kleine Geschöpf schmiegte sich an Gus, der ihm zärtlich über den Rücken streichelte, und wenige Augenblicke später schlief es auch schon tief und selig und schnarchte dabei leise vor sich hin. Die Plemplem-Eltern waren überwältigt vor Dankbarkeit und verneigten sich mehrmals mit einem solchen Eifer, dass man um ihr Gleichgewicht fürchten musste.
»Der Freund der Jungen Huldvollen möge die Ergüsse unserer Dankbarkeit entgegennehmen.«
»Also, was Ergüsse angeht, reicht es mir für heute! Davon hatte ich mehr als genug«, erwiderte Gus und deutete zum Fenster hinaus, wo es noch immer schüttete wie aus Kübeln.
Unter den amüsierten Blicken aller Anwesenden warf sich die Plempline der Länge nach auf den Boden, und dies mit solchem Schwung, dass sie über das gebohnerte Parkett segelte wie ein Pinguin auf Eis.
»Ohhh! Eure Dienerschaft besitzt die Gabe eines derart löchrigen Gehirns!«, schalt sie sich selbst. »Würdet Ihr wohl für diese klägliche Äußerung die Güte der Verzeihung gewähren?«
Alle mussten an sich halten, um nicht laut loszulachen.
»Ist schon vergessen«, beruhigte sie
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