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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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Königsberg, hatte das Schiff die Ostsee durchquert und dann den Nord-Ostsee-Kanal passiert.
    In der Nordsee war das Schiff in einen schweren Wintersturm geraten. Noch bevor der Sturm losbrach, begann der Regen. Der Niederschlag fiel fast senkrecht. Dann stürzte die Temperatur binnen Minuten um etliche Grade in frostige Tiefen. Die Windgeschwindigkeit nahm ständig zu. In der Luft lag jener charakteristische Geruch, den jeder Seemann kennt.
    Der Geruch eines zornigen Meeres.
    Salzig und kalt und tödlich.
    Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und durch das Orgeln des Sturms, der Eiskristalle wie kleine Projektile aus Nordwesten mit sich trug, hatte sich das über dreißig Jahre alte Schiff durch die aufgepeitschte Dünung der wütenden, grauen Nordsee gekämpft.
    Während der letzten Nacht hatten sie sich auf ihr Radargerät verlassen müssen, die Sicht war gegen null gegangen. Der Erste Offizier hatte vorgeschlagen, dichter unter Land zu fahren. Aber das hätte einen Zeitverlust von mehr als einem halben Tag bedeutet. Und der Kommandant, Kapitän Jestschew, konnte sich eine solche Verzögerung nicht leisten.
    Kapitän Jestschew war ein erfahrener Seemann. Er hatte lange bei der Marine der Sowjetunion gedient. Dann hatte er, durch ausbleibende Soldzahlungen demoralisiert, das lukrative Angebot einer russischen Reederei angenommen. Seine Erfahrung lehrte ihn, dass die See ein fürchterliches, heimtückisches Wesen sein konnte. Allerdings kannte er sein Schiff und die Mannschaft und wusste, dass sie diesen Sturm würden abwettern können.
    In diesem Moment tauchte der Bug wieder in einen Wellenberg ein. Ein Zittern lief durch das Schiff. Mit einem Seufzen der Nieten, die die Stahlplatten des Rumpfes zusammenhielten, richtete sich die »Gagarin 3« auf.
    Eine Gischtfahne, die bis zu den Scheiben der Brücke aufstob, rauschte prasselnd über das Glas.
    Schon rollte der nächste Brecher auf das Schiff zu.
    »Bremerhaven kommt über der Kimm auf, Kapitan perwowo ranga«, meldete der Erste Offizier, der neben ihm auf der Brücke stand, und nahm das Fernglas von den Augen. Seine Stimme übertönte nur mühsam das Heulen des Sturmes. In der Takelage sangen die Böen ihr klagendes Lied. Schwere Brecher ließen das Schiff bedenklich rollen. Die beiden Offiziere standen, ebenso wie der Rudergänger, breitbeinig da, um die Bewegungen des Schiffes ausgleichen zu können.
    »Wurde auch langsam Zeit«, brummte der Kapitän in seinen Bart und wandte sich ab, um zur Funkkabine zu gehen.
    Dort sprach er mit dem Funkoffizier. »Melden Sie dem Hafenmeister, dass wir reinkommen. Und stellen Sie mir eine Telefonverbindung mit Deutschland her. Hier ist die Nummer. Legen Sie das Gespräch in meine Kabine.«
    Der Kapitän trat wieder ins Ruderhaus. »Sie haben die Brücke, Nummer eins«, sagte er und stelzte den Niedergang hinab zu seiner Kajüte.
    Jestschew setzte sich an seinen kleinen Schreibtisch und starrte den Telefonhörer unverwandt an. Er brauchte nicht einmal eine Minute zu warten. Das Telefon in seiner Kabine meldete sich mit einem Summen. Der Kapitän nahm den Hörer ab. »Die Verbindung steht. Es klingelt«, meldete sein Funkoffizier, um sich sofort aus der Leitung zu verabschieden. Nach dem vierten Klingeln wurde am anderen Ende abgehoben.
    »Jestschew hier«, sagte der Kapitän auf Deutsch mit einem starken russischen Akzent. »Ich möchte mit Herrn Karl sprechen. Ist er da?«
    Er wurde verbunden. Als sich sein Gesprächspartner meldete, sagte der Kapitän erneut seinen Namen. Eine kurze Begrüßung folgte.
    »Allerdings! Wir hatten miserables Wetter. Unsere Verzögerung ist aber nur minimal.«
    Der Kapitän wartete die Antwort ab. Ab und zu nickte er zustimmend, als ob sein Gesprächspartner diese Geste sehen könnte.
    »In neunzig Minuten.«
    Wieder wartete der Kapitän.
    »Genau. Heute. Uhrzeit bleibt gleich.«
    Er murmelte eine Verabschiedung, allerdings auf Russisch. Dann hängte er den Hörer in die Halterung zurück.
    Sein Gesprächspartner blieb noch einige Minuten sitzen und sah auf das Telefon. Alles lief zu seiner Zufriedenheit. Sein Blick ruhte minutenlang auf dem Foto der jungen Frau. Schließlich nahm er den Hörer ein zweites Mal ab.
    Kapitän Jestschew war auf dem Weg zurück auf die Brücke. Da traf ein besonders schwerer Brecher den Rumpf und warf das Schiff zur Seite. Er stieß mit der Schulter an die Stahlwand des Niederganges. Ein Fluch verklang stumm auf seinen Lippen. Mühsam richtete sich das

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