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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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Hütten.« Die Stimme des Kundschafters, der östlich des Dorfes in Deckung lag, kam knisternd aus dem Kopfhörer.
    Die beiden Kundschafter machten ihre Scharfschützengewehre feuerbereit und behielten das Dorf über die Zielfernrohre im Auge.
    »Schützenkette in Hinterhangstellung!«, befahl Blochin. »Umfassungsbewegung. Da darf keiner raus. Vorwärts!«
    Die Soldaten bewegten sich in einem Halbkreis auf das Dorf zu, bis es vollständig eingeschlossen war. Die beiden Granatwerfer blieben in rückwärtiger Stellung hinter den Männern. Die Besatzungen an den Granatwerfern hatten die Montage der Waffen mittlerweile abgeschlossen.
    Die morgendliche Dämmerung wich langsam dem frischen Licht eines beginnenden Tages. Die Einheit war auf ungefähr einen Kilometer an das Dorf herangerückt, als wiederum an den Flanken zwei 7,62-mm-Maschinengewehre vom Typ PKS auf ihre Dreibeinlafetten montiert wurden. »Granatwerfer aus dem Rückraum feuerbereit?«, fragte Blochin.
    »Feuerbereitschaft bestätigt«, kam von den Männern an den Werfern die zweifache Antwort.
    »PKS 1 hat freies Schussfeld und ist feuerbereit«, meldete sich die erste MG-Stellung.
    Die beiden Männer am zweiten MG hatten ein Problem mit dem Verschluss. »Einen Moment noch, Gospodin Kapitan.«
    »Feuerbereitschaft sofort melden.«
    Aufgereiht wie die Perlen an einer Kette rückten die Männer weiter auf das Dorf vor. Sie machten sich bereit, den imaginären Hals, den sie umschlossen, erbarmungslos zu strangulieren.
    Schließlich waren die Vordersten noch ungefähr einhundert Meter von den äußeren Hütten entfernt. Die Elitekämpfer gingen im Halbkreis in Deckung und warteten.
    Achtzig Läufe verschiedener Kaliber hatten ihre lidlosen, schwarzen Augen aufgeschlagen und blickten stier auf das Dorf. Nach fünf Minuten knackte es wieder in den Kopfhörern.
    »PKS 2 hat freies Schussfeld und ist feuerbereit«, meldete nun auch die zweite MG-Stellung.
    »Über uns sind nur die Sterne.« Blochins Stimme sprach den berühmten Schlachtruf der Speznas-Einheiten.
    »Über uns sind nur die Sterne«, raunten neunzig Männer flüsternd vor sich hin.
    Wieder hörten sie die Stimme ihres Kommandeurs in den Kopfhörern. »Dann wollen wir mal guten Morgen sagen. Beide Werfer zwanzig Schuss zwischen die Hütten. Feuer frei!«
    *
    Bremerhaven, Januar 2004
    Der Mann war heute früh mit dem Zug angekommen. Nachdem er im Hotel eingecheckt hatte, duschte er. Unbekleidet trat er aus dem Badezimmer. Sein Körper war muskulös. Die Haut war überzogen mit rötlich schimmernden, keloiden Streifen narbigen Gewebes. Spuren vieler Kämpfe und teilweise schwerer Verwundungen. Nackt setzte er sich auf das Bett. Dann legte er einen Aktenkoffer neben sich und klappte ihn auf.
    Er entnahm dem Koffer eine Fotografie, deren Grobkörnigkeit zeigte, dass es sich um die Vergrößerung eines Ausschnittes handelte, aus einiger Entfernung aufgenommen.
    Das Bild einer jungen Frau.
    Das Bild einer jungen Frau mit einer schlanken, aber dennoch weiblich geschwungenen Figur. Offensichtlich war sie sich im Moment der Aufnahme nicht bewusst gewesen, dass sie fotografiert wurde.
    Seine Fingerkuppen berührten das Papier nur am Rand. Mit andächtigen Bewegungen, als handele es sich um eine wertvolle Ikone, lehnte er das Foto gegen die Nachttischlampe. Zärtlich strichen seine Finger über das abgebildete Gesicht.
    Ich komme dir näher, dachte der Mann.
    Jeden Tag.
    Immer näher.
    Mit ruckenden, fast krampfartigen Bewegungen begann der Mann zu onanieren. Nach kurzer Zeit bedeckte ein feiner Schweißfilm sein Gesicht. Die ganze Zeit über waren seine Augen starr auf das Bild der jungen Frau gerichtet.
    Ein wohliges Seufzen kam im Moment der Erleichterung aus seiner Kehle. Er legte sich aufs Bett, um sich auszuruhen. Ein wenig Zeit hatte er noch.
    Er erwartete einen Anruf. Einen sehr wichtigen Anruf.
    Die Stadt war mit Bedacht gewählt.
    Die Container-Kaje von Bremerhaven erstreckt sich über fast fünf Kilometer am Ostufer der Weser an der Mündung zur Nordsee. Bremerhaven ist einer der größten Umschlagplätze für Container in Europa. Das Volumen der umgeschlagenen Waren ist riesig. Gewaltige Halden mit den Ausmaßen von Flugzeugrollfeldern nehmen die Container auf, bevor sie weitertransportiert werden.
    *
    Als das Containerschiff »Gagarin 3« an diesem Morgen in die Wesermündung einlief, waren alle an Bord froh, nun einen Tag Landgang zu haben. Kommend aus Kaliningrad, dem früheren ostpreußischen

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