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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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Männer.
    Minuten verstrichen, drei, fünf.
    Nichts geschah.
    »Langsam weiter vorrücken. Bajonette aufpflanzen.« Blochin erhob sich und hinter ihm seine Männer. Die Bajonette rasteten mit leisem Klicken an den Läufen der AK-47 Sturmgewehre ein.
    Die Kämpfer hatten den Rand des Dorfes erreicht, ohne auf weitere Gegenwehr zu stoßen. »Holt die Leute aus den Hütten und treibt sie auf dem Dorfplatz zusammen. Schickt den Dolmetscher zu mir.« Blochin trat mit zwei Männern in eine der ärmlichen, aus Lehm gebauten Hütten. Im Zwielicht sah er im hinteren Teil der Hütte drei zusammengekauerte Personen.
    Die Gestalten zitterten und weinten leise. Ihre Gesichter waren von Grauen und Angst gezeichnet.
    Ja, ja, die Angst. Mein treuester Mitstreiter, dachte Blochin. Auf den Schock, den Granatwerferbeschuss auslöst, ist doch immer Verlass.
    »Hände hoch! Raus hier! Ihr seid Gefangene!« Diese Sätze konnte jeder seiner Männer in der Landessprache der Afghanen in dieser Region, auf Paschtu. Wimmernd erhoben sich die Gestalten und gingen an Blochin und seinen Männern vorbei ins Freie. Der Wind wehte den Hang hinauf und trug den Pulvergeruch der MG-Salve mit sich.
    Blochins Männer durchsuchten jede Hütte und hatten nach kurzer Zeit ungefähr einhundertfünfzig Bewohner auf dem Dorfplatz zusammengetrieben. Die Verletzten, die nicht mehr selbst gehen konnten, wurden von ihren Angehörigen gestützt oder getragen.
    Der Haufen zerlumpter Gestalten wurde umgeben von den drohend auf sie gerichteten Bajonetten. Es waren tatsächlich ausschließlich Greise, Frauen, einige von ihnen mit Säuglingen im Arm, und Kinder. Das älteste mochte vierzehn Jahre alt sein.
    Blochin trat mit seinem Dolmetscher vor die Leute.
    »Sagen Sie ihnen, dass ich wissen will, wo ihre Männer sind. Sagen Sie ihnen, dass ihnen nichts geschieht, wenn sie mir sagen, wo sich ihre Männer verstecken.«
    Der Dolmetscher sprach.
    Nach einer kurzen Pause antwortete einer der alten Männer, nachdem er einen Schritt vorgetreten war. Seine vom Wetter lederne Haut war von tiefen Falten durchzogen. Seine rechte Wange blutete, ein Riss von einem Splitter. Er öffnete einen zahnlosen Mund, als er sprach.
    »Er sagt, Sie seien der Satan. Und dass er lieber stirbt, als Ihnen zu sagen, wo die Männer sind«, übersetzte der Dolmetscher.
    »Sagen Sie ihm, dass ich seine religiösen Visionen respektiere.«
    Blochin wartete, bis seine Antwort übersetzt worden war.
    »Und sagen Sie ihm, dass ich seinen geäußerten Wunsch in diesem Fall sogar erfüllen kann.«
    Wieder wartete Blochin das Ende der Übersetzung ab.
    Dann hob er das AK-47 und schoss dem Greis aus drei Metern Entfernung genau zwischen die Augen.
    *
    Bremerhaven, Januar 2004
    Mittlerweile war es später Abend geworden. Die Ladung war fast vollständig auf den riesigen Containerhalden verschwunden. Jestschew hatte noch etwas zu erledigen. Er war der Einzige an Bord, der von der Zusatzladung wusste. Und er war der Einzige an Bord, der wusste, dass ein Mitarbeiter der Hafenmeisterei, Jensen hieß der Mann, der Spielsucht verfallen war. Deshalb brauchte Jensen ständig Geld.
    Er traf den Mann in dessen Büro. Die Vorhänge waren zugezogen, damit niemand von außen das verräterische Licht hätte sehen können. Noch immer pfiff der Sturm um das Gebäude und rüttelte in Böen an den Fenstern.
    Nach einer kurzen Begrüßung kam Jestschew zur Sache. »Es geht um vier Container, die ohne Ladepapiere am Zoll vorbei müssen. Ich biete Ihnen fünftausend Euro Aufwandsentschädigung pro Container.«
    Jensens Züge spiegelten unverstellte Gier. Er sprach mit starkem niederdeutschem Dialekt.
    »Ja, sicher, das wird klargehen. Ich habe gestern vier Container mit vergammelten Bananen reinbekommen. Die habe ich noch nicht wieder ausgetragen. Vier Container hätte ich also noch über.«
    »Und die Papiere sind in Ordnung?«
    »Ab-so-lut.« Jensen betonte jede Silbe des Wortes. »Der Zoll war auch schon da. Wir könnten also ohne Probleme die Zollsiegel fälschen. Das merkt kein Schwein. Und von den Zollsiegeln habe ich immer ein paar übrig.« Jensen grinste. »Für Notfälle!«
    »In einer Stunde kommen die Zugmaschinen. Da müssten Sie dann noch persönlich anwesend sein, damit das in Ordnung geht.«
    »Aber sicher, Chef, das machen wir!« Jensen hüstelte. »Und das alles bei dem Schietwetter. Da guckt sowieso keiner so genau hin. Da ist doch jeder froh, wenn er wieder zurück in die warme Stube kann.« Jensens Blick

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