Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
Er beobachtete eine Frau, die ein Kissen auf die Fensterbank gelegt hatte und rauchte. Ihre Arme waren auf das Kissen gestützt und hielten den Kopf.
Noch ist es nicht kalt genug, um die Leute daran zu hindern, im Freien zu rauchen, dachte er.
Hinter seinem Rücken saß Hofbauer zusammengesunken auf seinem Platz. Lilian Landhäuser und Kriminalkommissar Schedl starrten unschlüssig Löcher in die Luft.
Das Vertrauen war gestört.
Davídsson spürte plötzlich die trockene Hitze in seinem Gesicht, die von einem schmalen Radiator unter dem Fenstersims nach oben stieg. Er begann zwischen den Beinen zu schwitzen und drehte die Heizung auf eine niedrigere Stufe. Das schwache Rauschen der Heizkörper blieb das Einzige, was in dem Raum zu hören war.
Die Frau blickte ihn von ihrer Fensterbank an, ohne eine Reaktion in ihren Gesichtszügen zu offenbaren. Ihre Zigarette war längst aufgeraucht und lag jetzt auf dem Parkplatz vor dem Administrationsgebäude, wo Davídssons geliehener Chrysler 300C stand.
»Wir müssen herausfinden, wer alles über Catharina Aigner alias Lea Schirmer-Lunz Bescheid wusste.«
Davídsson ging zu dem Flipchart, das neben dem Porträt von Jakob Fugger dem Reichen stand, und stellte es an das runde Kopfende des Besprechungstisches. Dann blätterte er die beschriebenen Seiten nach hinten, bis er ein weißes Blatt fand.
Er malte einen blauen Kreis auf die linke Seite des Blockes und schrieb das Wort ›Frankfurt‹ darüber. Dann zeichnete er einen kleineren Kreis mit einem roten Stift direkt daneben und dann wieder einen größeren schwarzen Kreis, über den er ›Fuggerei‹ schrieb.
Als er einen Schritt zurücktrat, um sich die Zeichnung anzusehen, bemerkte er, dass der kleinere Kreis in der Mitte eher wie ein Ei aussah, aber er beließ es dabei und legte den Stift auf die Halterung des Flipcharts.
»Wir sollten alle Personen, die unser Opfer gekannt hat, einem dieser drei Kreise zuordnen, um uns vor Augen zu führen, wer verdächtig ist und wer nicht«, erklärte Ólafur Davídsson.
»Diejenigen, die in der Mitte stehen, wussten über ihre beiden Leben Bescheid?«, fragte Lilian Landhäuser, die die Zeichnung auf eine neue Seite ihres Blockes übertragen hatte.
»Ja.«
»Dann schreiben Sie meinen Namen in die Mitte«, sagte Hofbauer.
Davídsson nahm den roten Stift und schrieb neben Hofbauers Namen auch noch ›Martin Schirmer-Lunz‹ und ›Innenminister‹ in den mittleren Kreis.
»Was ist mit der Frau des Innenministers?«, gab der Kriminalkommissar zu bedenken. »Ist es nicht wahrscheinlich, dass sie auch über ihre Tochter Bescheid wusste?«
»Sie ist noch weit vor dem Ganzen bei einem Autounfall ums Leben gekommen«, antwortete Hofbauer, der viele Jahre zuvor auf ihrer Beerdigung im Perlacher Forst gewesen war. Jetzt wusste er, dass Lea Schirmer-Lunz zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind gewesen sein musste und ihr Bruder Martin ein Baby.
»Sonst noch jemand?«
»Ihre Kollegen vom Zeugenschutz.«
Davídsson zögerte einen Augenblick mit dem Stift auf dem Papier, wo sich ein dicker roter Klecks bildete. »Ich würde sagen, dass wir die zunächst außer Acht lassen.«
Niemand hatte etwas dagegen.
Ólafur Davídsson ordnete die restlichen Namen, die sie bisher im Laufe ihrer Ermittlungen zusammengetragen hatten, den beiden größeren Kreisen zu, bis es keinen Namen mehr gab, der ihnen einfiel.
»Dann gibt es bisher also nur drei Verdächtige, die entweder selbst die Mörder von Lea Schirmer-Lunz sein könnten oder zumindest direkt oder indirekt zu ihrer Ermordung beigetragen haben könnten«, schlussfolgerte Lilian Landhäuser, nachdem sich Davídsson neben sie gesetzt hatte und sie eine Weile stumm die Namen auf dem Flipchart betrachtet hatten.
»Wir müssen dringend mit dem bayerischen Innenminister und seinem Sohn sprechen. Ich habe Wittkampf um Unterstützung gebeten, aber bisher noch nichts von ihm gehört.«
»Vielleicht könnte er uns ja dabei behilflich sein«, sagte Lilian Landhäuser mit Blick auf Hofbauer.
»Ich werde es versuchen.« Hofbauer gelang es nicht, ihre Blicke zu erwidern.
16
S ie fuhren zu dritt mit dem Leihwagen über die Autobahn Richtung Südosten. Ólafur Davídsson hatte Lilian Landhäuser gebeten, mit ihnen zu fahren. Bei einem möglichen Prozess würde Hofbauer vermutlich als Zeuge ausfallen, weil er die bisherigen Ermittlungen behindert hatte, aber Davídsson brauchte ihn, um mit Schirmer-Lunz sprechen zu können. Außerdem kam Davídsson
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