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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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schrille Stimme kreischen :
    "Wer zum Kuckuck plakatiert denn da überall diesen Mist?"
    Humpelschritte näherten sich auch, und die Tante Fee sagte:
    "Das war das Olfile! Aber er hat mir nicht gesagt, warum er es tut!"
    Und dann war ein echtes Getrampel in meinem Zimmer, und meine Schwester Andrea fragte:
    "Was ist mit ihm? Hat er einen Schub? Oder ist er in einer manischen Phase?" Meine Schwester Andrea hält mich nämlich für verrückt.
    Und die Tante Truderl sagte:
    "Ich glaube, er hat Migräne!" Die Tante Truderl hält Mi-gräne für eine Familienseuche, und weil sie die einzige bei uns ist, die unter dieser Kopfwehkrankheit leidet, will sie jedem von uns bei jeder einsetzenden Übelkeit zuerst einmal Migräne attestieren.
    Und die Oma sagte:
    "Egal was er hat, er soll die Schuhe ausziehen, bevor er sich auf das Bett legt! Olfgangi, zieh deine Latschen aus!" Meine Oma ist nämlich für peinlichste Sauberkeit und hat einen ausgesprochenen Hygienefimmel.
    Und die Tante Lieserl zischelte wispernd: "Vielleicht medi-tiert der Olferle?" Die Tante Lieserl ist Expertin für fernöstliche Religionen, an die sie abwechselnd glaubt. Sie ver-sorgt mich regelmäßig mit "Einführungsschriften" in irgendwelche "Heilslehren".
    Dann sagte meine Mutter:
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    "Nichts dergleichen! Er fühlt sich bloß um die ihm zuste-hende Intelligenz betrogen, weil er von Frauen erzogen worden ist!"
    Dieser Erklärung folgte ein sechsstimmiges Geschnatter und Gekreisch. Wer was schnatterte und kreischte, war nicht recht zu verstehen, weil Tante Fee andauernd in Fuß-
    ballstadionlautstärke "O Gotterl, o Gotterl, o Gotterl" zeter-te. Außerdem wurde meine Aufmerksamkeit dadurch abge-lenkt, daß ich jemanden an meinen Füßen herumfummeln spürte. Ich riskierte ein einäugiges Blinzeln fußwärts und sah, daß sich die Oma an meinen Schuhbandeln zu schaffen machte. Das war nun wahrlich das Allerletzte! Ich demon-striere beeindruckend meine Krise, und die alte Schachtel will mir die Tennisschuhe ausziehen, damit die Bettdecke nicht dreckig wird!
    Ich brüllte los! Losbrüllen ist immer mein letzter Ausweg und absolut wirksam. Seit ich auf der Welt bin, praktiziere ich das mit gutem Erfolg. Ich reiße einfach das Maul auf und starte einen "Urschrei" von derart gewaltiger Lautstär-ke, daß die Wände wackeln und die Lüster beben. Früher, als ich noch ein Kleinkind war, haben sie allerhand gegen mein Wahnsinnsgebrüll versucht: Kalt waschen, streicheln, Ohrfeigen geben, zurückbrüllen, mit Verachtung strafen, meine Schwestern haben mir sogar einmal den Mund mit Leukoplast verklebt, aber ich bin immer Sieger geblieben!
    Mit den Jahren haben sie eingesehen, daß sie gegen meinen
    "Urschrei" machtlos sind und ihn nur steigern und verlängern, wenn sie irgendwelche Aktivitäten setzen.
    Sie sahen es auch diesmal ein!
    Das Geschnatter und Gekreisch verstummte schlagartig, die Oma ließ von meinen Schuhbandeln ab, in kaum zehn Se-
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    kunden war meine Bude geräumt. Ich konnte den Urschrei ausklingen lassen. Viel länger hätte ich ihn, liegend, sowieso nicht durchgehalten, denn wirklich gut brüllt es sich nur im Stehen. Da kann man sich vorher viel besser mit Luft vollpumpen.

    An diesem Tag belästigte mich niemand mehr. Nicht einmal, als ich beim Nachtmahlbrotschmieren in der Küche auf Tante Lieserl und Tante Truderl traf, versuchten die beiden eine Diskussion mit mir; dabei wollen sie sonst immer alles "ausdiskutieren".
    Auf meine Mutter traf ich nur spätabends im Badezimmer.
    Aber da war sie beim Zähneputzen und dadurch keines Wortes fähig. Der Blick allerdings, den sie mir via Spiegel zuwarf, war ein waidwunder.
    Meine Schwestern waren ins Kino gegangen und die Oma zu ihrer Dienstag-Bridgerunde. Tante Fee schaute wie jeden Abend fern.
    So einen artigen Tagesausklang hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Kein: "Olfi, hast du heute ordentlich gelernt?"
    Kein: "Olferle, du machst uns große Sorgen, wenn das so weitergeht mit dir und der Schule!" Auch kein: "Also Olfgangi, ich schau nicht länger zu, wie du deiner Mami das Leben schwermachst!"
    Die "Forschungsergebnisse-kurzgefaßt"-Meldung hatte voll eingeschlagen!
    Nur Tante Fee klopfte kurz vor Mitternacht, da lag ich bereits ausgezogen im Bett, an meine Tür und streckte, als ich mürrisch "Was ist?" rief, ihren Kopf zur Tür herein und sprach:
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    "Ich wollt dir nur sagen, Olfile, mein Vater hat uns drei Schwestern jede Woche einmal durchgeprügelt! Mit dem Teppichklopfer.

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