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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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hergeben, mir den Ullermann-Rucksack abzunehmen. Die "gewissen Umstände" waren zwei Kinokarten pro Woche - für die Dauer der Beziehung - und mein tägliches Jausenbrot und, sozusagen als Anfangsabfertigung, mein schwarzer Pullover mit dem gestickten China-Drachen auf dem Rücken.
    Natürlich empörte mich die Forderung. Es ist schon unmo-ralisch genug, die liebende Braut dem Sitznachbarn anzu-
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    drehen. Aber dafür noch seinen besten Pullover, seine Jau-senbrote und fast das ganze Taschengeld - für die Kinokarten - herzugeben, das übersteigt den Grenzwert der Unmo-ral, den ich mir zumute!
    Ich sagte zum Axel: "Schleich dich, Bruder" und ging, total vergrämt, selbst ins Kino. Der Harri und der Florian waren auch da. Sie waren gekommen, um den Axel mit der Erbswurstsuppe zu bestaunen. Ich deutete mit Gesten und Gri-massen, so gut es halt ging, an, daß mein Plan nicht funk-tioniert hatte, aber so ein komplizierter Sachverhalt ist nicht zu deuten. Die beiden kapierten nichts! Nur die Erbswurstsuppe zog ein Gesicht und sagte:
    "Benimm dich nicht so dumm! Warum schneidest du dauernd Gesichter?"

    Als ich vom Kino heimkam, waren sämtliche Familienmitglieder im Wohnzimmer. Meine kopierten Seiten waren nicht mehr an den Wänden. Sie lagen auf meinem Schreibtisch. Daneben lag ein Zettel, von meiner Mutter geschrieben, auf dem stand:

    Werter Sohn! Laß das, bitte!
    Als Ausrede für Deine schulische Unzulänglichkeit kannst Du uns diesen Scheibenkleister nicht anbieten. Es gibt eine Unmenge Kinder aus geschiedenen Ehen, und fast alle diese Kinder werden ausschließlich von ihren Müttern beziehungsweise Großmüttern aufgezogen, weil sich die Väter einen feuchten Staub um sie scheren.
    Aber zu 99,9% haben diese Kinder mehr Erfolg in der Schule als Du. Sollte ich noch eins der nervenden Käsepa-pierln an einer Wand vorfinden, flippe ich aus und streiche
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    Dir das Taschengeld für drei Wochen. In Liebe Deine Mutter!

    Anscheinend wußten alle im Haus von diesem Schreiben, weil sie mich, als ich ins Wohnzimmer kam, erwartungsvoll anstarrten. Ich setzte mich neben Tante Fee, nahm ihr die TV-Fernbedienung aus der Hand und drückte einen anderen Kanal. Fee protestierte nicht. Ihr ist gleich, was sie sieht, Hauptsache, sie sieht was!
    An die zehn Minuten schaute ich einer Blaskapelle bei der Eröffnung einer Brücke zu, dann gab ich Fee die Fernsteue-rung zurück und sagte zu Doris:
    "Schwester, ich muß mit dir reden!"
    Die Doris strickte. Sie strickt meistens, wenn sie zu Haus ist. Sie ließ die Rundnadel sinken und sprach:
    "Okay! Sprich dich aus!"
    "Unter vier Augen, bitte", verlangte ich.
    Die Doris stand auf. Ich folgte ihr in ihr Zimmer. Sie setzte sich auf ihr Bett und strickte weiter und sagte:
    "Wenn es dir um die blöde Zettelpickerei geht, kann ich dir nur sagen: Sei froh, daß es dir so geht! Andere Leute in deinem Alter sind familienmäßig wesentlich saumäßiger dran!"
    Ich erklärte der Doris, daß mich im Moment ein ganz anderes Problem bedränge, und erzählte ihr von der Erbswurstsuppe und von meinem Versuch, sie loszuwerden. Ob ich nun auf die Forderungen vom Axel eingehen solle, fragte ich.
    Doris wurde ziemlich wütend, schimpfte mich einen Chau-vi und einen Macho und keifte, daß ihr kotzspeiübel werde, wenn sie mir lausche. "Du eingebildeter Obertrottel", zeter-
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    te sie. "Gerade bist vierzehn vorbei und glaubst schon, man kann uns Frauen verschachern! Ich schwöre dir, Olfi, wenn du dich zu so einer miesen Type entwickelst, dann hau bei-zeiten ab! Ganz egal, ob du mein Bruder bist oder nicht!
    Solche Typen haben wir schon seit Generationen aus dem Tempel gejagt! Da haben wir Übung drin!"
    Damit spielte Doris auf den ziemlich eingeschlechtlichen Zustand unserer Familie an und darauf, daß etliche Männer nur sehr kurze Zeit bei uns im Hause geweilt hatten und dann, absolut nicht freiwillig, wieder ausgezogen waren.
    Der erste war mein Großvater Ottokar. Meine Oma heiratete ihn mit achtzehn Jahren. Mit einundzwanzig hatte sie drei Töchter von ihm, und weil sie kein viertes Kind mehr wollte und es damals noch keine Verhütungsmittel gab, die etwas taugten, verwehrte sie dem Ottokar das eheliche Doppelbett. Er mußte in ein Extrazimmer ziehen. Der Ottokar tat es, aber er lachte sich ein Fräulein an, das trotz der untauglichen Empfängnisverhütung willig war. Die Oma merkte das, aber sie sagte nichts. Doch als der Ottokar dann vom Konto viel Geld abhob, um dem willigen Fräulein

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