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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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nichts auszusetzen, außer daß sie seit Kinder-gartenzeiten mit der Erbswurstsuppe intim befreundet sind.
    Dadurch nun, daß ich und der Harri und der Florian unzertrennlich waren und die Erbswurstsuppe und die Anette und die Marion desgleichen, ergab es sich, daß wir nach dem Skikurs, nach den Semesterferien, immer zu sechst unterwegs waren. Und bald hieß es allgemein in meiner Klasse:
    "Der Wolfgang geht mit der Erbswurstsuppe!"
    Das war unangenehm genug! Doch noch wesentlich unangenehmer war, daß die Erbswurstsuppe - herself - genau der gleichen Ansicht war. Saßen wir nach der Schule in der kleinen Konditorei und legte die Anette eine Hand auf den Arm vom Harri und lehnte die Marion ihr Kopferl an die Schulter vom Florian, patschte die Erbswurstsuppe eine Pfote auf meinen Arm und wummerte ihren Schädel an meine Schulter. Logo hätte ich das abstellen können! Dezent leistete ich ja auch Widerstand. Aber die Erbswurstsuppe ist nicht sensibel und neigt dazu, weil sie ein Spat-zenhirn hat, vieles mißzudeuten. Sie hielt mich - das weiß ich vom Harri, dem hat es die Anette gesagt - für ungeheuer
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    schüchtern. Natürlich war mir schon damals klar, daß nur der totale Rückzug die Lösung wäre! Aber ich wollte ja mit dem Harri und dem Florian Zusammensein, und die waren damals auf ihre Bräute derart versessen, ohne die lief einfach nichts, und ohne die Erbswurstsuppe wiederum traten die beiden Bräute nicht auf.
    Gegen Mitte April dann war es schon soweit, daß ich mein Verhältnis zur Erbswurstsuppe irgendwie akzeptierte. Mindestens dreimal hatte ich sie bereits geküßt. Das verpflichtet! Gern hatte ich sie nicht umarmt, aber was hätte ich denn tun sollen? Die Küsserei passierte immer nach dem Kino. Da gingen wir zu sechst - zwei zu zwei zu zwei -
    durch die Allee nach Hause. Und dann blieben bei einem Akazienbaum der Harri und die Anette stehen und küßten einander, und beim nächsten Akazienbaum machten der Florian und die Marion Rast und taten es dem Harri und der Anette gleich, und die Erbswurstsuppe blieb beim dritten Akazienbaum stehen und schaute mich mit Glupschaugen an. Ich redete hektisch vom Sternenhimmel und davon, wo der Große Bär und der Kleine Wagen stehen, und daß Astronomie und Astrologie nichts miteinander zu tun haben, und die Erbswurstsuppe rückte mir immer enger an den Leib und wollte der gleichen Behandlung unterzogen werden wie die zwei anderen Mädchen unter den Akazienbäumen. Schließlich konnte sie ja nichts dafür, daß ich sie nicht liebte. Und sich ungeliebt fühlen, das ist entsetzlich für ein Mädchen. Das weiß ich von meinen Schwestern. Die können ganze Nächte durchheulen, wenn sie vom Objekt ihrer Sehnsucht vernachlässigt werden. Bis zu
    Selbstmordgedanken kann sich das steigern.
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    Ausschließlich aus blanker Menschlichkeit und purer Näch-stenliebe wurde ich unter den Akazienbäumen kußmäßig tätig. Ich kann kaum schildern, wie blöd ich mir dabei vor-kam. Mit einem Auge schielte ich immer zu den anderen Bäumen, um zu sehen, ob die Schmuserei dort schon ein Ende habe. Und kaum hatte der Harri oder der Florian das Geturtel eingestellt, ließ ich erleichtert von der Erbswurstsuppe ab.
    Die Lage war scheußlich für mich, aber sie war durchzuste-hen. So richtig ans Dampfen kam die Scheiße erst, als der Harri und der Florian - wiederum aus mir unerfindlichen Gründen - mit der Anette und der Marion Riesenstunk be-kamen und alles zwischen ihnen "aus" war. Die Marion und die Anette gingen mit dem Gustl und dem Oliver. Mit dem Harri und dem Florian redeten sie kein Wort mehr. Höchstens, daß sie ihnen "Idiot" zuzischten und der Harri oder der Florian dann "Trampel" zurückzischte.
    Als ich merkte, daß die Liebesbeziehungen meiner Freunde in den letzten Zügen lagen, war ich unheimlich erleichtert.
    Aber diese Erleichterung währte nicht lange, denn die Erbswurstsuppe besuchte mich am Nachmittag nach dem letzten großen Streit in der Konditorei und sagte mit verklärtem Augenaufschlag zu mir:
    "Wolfi, das ändert natürlich nichts an meiner Liebe zu dir!
    Wir brauchen ja die anderen überhaupt nicht! Die Anette und die Marion werden natürlich sauer sein, aber meine Beziehung zu dir ist mir wesentlich wichtiger als die alte Kinderfreundschaft mit der Anette und der Marion! Wenn sie so blöd sind, daß sie das nicht einsehen, kann ich auch nichts machen!"
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    Da finde einer eine passendere Antwort drauf als ein tieferschüttertes

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