Olfie Obermayer und der Ödipus
murmelte ich bloß und ging in mein Zimmer. Sie humpelte hinter mir her und rief:
"Aber Olfile, wenn's nicht wichtig ist, warum nagelst du es dann auf?"
Ich machte ihr die Tür vor der Nase zu, legte einen Konstantin Wecker auf den Plattenteller und mich aufs Bett.
Daß Tante Fee in mein Zimmer eindringen könnte - um weiter zu fragen -, war nicht anzunehmen. An meiner Zimmertür hängt ein altes Blechschild, darauf steht: EINTRITT
FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN! Tante Fee ist die einzige in unserer Familie, die sich für "unbefugt" hält.
Übrigens heiße ich natürlich nicht "Olfile". Auch nicht
"Olf" oder "Olfilein". Und "Olfgangi" - wie meine Oma sagt - schon gar nicht. Ich heiße Wolfgang. Als ich noch ein winziger Knirps war, konnte ich kein "W" sagen, und wenn mich jemand nach meinem Namen fragte, sagte ich angeblich "Olfgang". Das verzückte meine diversen Betreuerin-nen dermaßen, daß sie dazu übergingen, mich auch "Olfgang" zu rufen oder "Olfi" oder "Olfgangi". Kein Wunder also, wenn ich das W-sagen erst ziemlich spät erlernt habe!
Ich blieb den ganzen Nachmittag auf dem Bett liegen und erhob mich bloß in fünfundzwanzig-Minuten-Abständen,
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um den Tonarm wieder am äußeren Plattenrand aufzulegen.
Ich spiele oft eine Plattenseite stundenlang. Aber nur am Nachmittag, wenn außer mir und Tante Fee niemand zu Hause ist. Tante Fee hat Schweinsohren und nimmt Musik, auch sehr laute, überhaupt nicht wahr. Alle anderen regen sich auf. Sie kommen dann und schreien und protestieren und sagen, daß sie wahnsinnig werden, wenn sie ewig die sechs gleichen Songs hören müssen, und fordern, daß ich Kopfhörer aufsetze oder den Plattenspieler leiser drehe.
Womit klar bewiesen ist, daß sie kein feeling für Musik haben. Musik muß wummern! Musik muß so laut wummern, daß alles im Raum voll ist von ihr, daß man richtig in ihr drinnen liegt und in ihr untertauchen kann, so, als wäre man ein Fisch und die Musik das Wasser! Aber durch die Kopfhörer, so laut man den Ton auch stellt, geht das nicht, weil der Stereoeffekt durch die Dinger nicht richtig hinhaut; für mich jedenfalls nicht.
Es dämmerte bereits, als die Mama meine Zimmertür auf-riß. Sie marschierte zum Plattenspieler, stellte ihn ab, wa-chelte mit einer der kopierten Seiten vor meinem Gesicht herum und fragte:
"He, Olfi! Warum klebst du das Zeug quer durch das ganze Haus?"
Am liebsten hätte ich der Mama gar keine Antwort gegeben, weil ich es hasse, wenn jemand so selbstherrlich agiert, und ohne anzuklopfen ein Zimmer betritt und ohne zu fragen eine Powertaste drückt. Aber ich überwand im Interesse meiner Aktion meinen Grimm, rappelte mich ein bißchen hoch und sagte:
"Das rotumrandete mußt du lesen!"
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"Hab ich ja!" sagte meine Mama. "So ein Wiffzack, daß ich das merke, bin ich schließlich!"
"Es ist die Erklärung für meine Krise", sagte ich und legte mich wieder der Länge nach hin. "Nicht allzuviel Grips in den Genen und dann noch ausschließlich von Frauen betreut und erzogen!" Ich schloß die Augen und zählte auf:
"Ein Stück Oma, ein Stück Großtante, zwei Stück Tanten, ein Stück Mutter, zwei Stück große Schwestern!" Ich seufzte: "Siebenmal verblödet bin ich worden!" Ich gähnte: "Und nicht einmal zu den hohen Feiertagen ein Stück Mann im Haus, der mich hätt ein Fuzerl fördern können!" Ich faltete die Hände über der Brust. Richtig sargfertig lag ich da.
"Meinst du das im Ernst, Olfi?" fragte meine Mama.
Ich gab ihr keine Antwort. Ich nickte nicht einmal. Manchmal - das finde ich zumindest - beeindruckt stummes Schweigen viel mehr als beredtes Argumentieren.
Meine Mutter schien tatsächlich beeindruckt zu sein. Sie schnaufte nämlich. Und das tut sie immer, wenn sie ratlos und verwirrt ist. Ob sie sich mit dem Zeigefinger den Nasenrücken ribbelte - was sie im Falle großer Ratlosigkeit und Verwirrung auch gern tut -, konnte ich nicht sehen, aber ich wette zehn gegen eins, daß sie sich die Nase ro-tribbelte, während sie ihren sargfertigen Sohn betrachtete.
Dann, nach etlicher Zeit, wo nur das Schnaufen zu hören war, sagte die Mama:
"Also anscheinend meinst du es tatsächlich ernst, Olfi!"
Ich überlegte, ob ich weiter Leiche spielen oder reden solle, doch noch bevor ich zu einem Entschluß gekommen war, waren Schritte zu hören. Schritte von mehreren Personen aus mehreren Richtungen auf mein Zimmer zu. Eine der
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Personen war meine Schwester Doris, denn näherkommend hörte ich ihre
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