Olga & Lust und Leid
Er war wohl froh, sich meiner Nähe sicher zu sein. Mit meiner Paar-Idee kam ich ihm gewiss entgegen.
„Ich brauche sicher etwas Zeit, um mich in die Rolle zu finden“, sagte er dann. „Normalerweise gebe ich die Anweisungen und bin es gewohnt, die Handlung selbst vorzugeben.“
Er versuchte Seriosität und Professionalität vorzutäuschen. Ich ließ ihm diese Illusion, aber einen Vampir kann man nicht täuschen. Der Geruch verriet mir alles – auch das, was er als Mann wirklich wollte und nicht einmal vor sich selbst zugab.
„Das ist mir klar. Sie werden vieles nicht auf Anhieb verstehen, aber seien Sie sicher, ich finde die Täter immer! Die Methoden weichen natürlich von regulärer Polizeiarbeit ab, sind aber sehr effektiv. Deswegen wurde ich ja involviert. Es ist immer nur eine Frage der Zeit.“
„Ich habe daran keine Zweifel“, versicherte er mir. „Ein verborgenes Gefühl sagt mir, dass Sie erfolgreich sein werden.“ Er lachte und schloss den oberen Knopf seines Hemdes, der direkt unter der Krawatte lag.
„Irgendwie ist es plötzlich sehr kühl.“
„Das liegt wohl an dem unangenehmen Thema.“
„Verraten Sie mir trotzdem ein wenig mehr? Welche Mittel wenden sie genau an?“, bohrte der beauftragte Kommissar weiter.
„Nun gut, eine Probe für Sie. Sehen Sie den Mann zwei Tische rechts von mir?“
„Graues Jackett, Brille, etwas überheblich wirkend?“ Gordon, so begann ich ihn bereits zu nennen, musste sich nicht einmal umschauen. Er verfügte offenbar über ein ausgezeichnetes Gedächtnis und hatte sich die Tischgäste eingeprägt. Ich musste sehr vorsichtig bei ihm sein und durfte ihn nicht unterschätzen. Meine aufkommende Sympathie durfte mich nicht vertrauensselig machen.
„Genau den“, sagte ich leise.
„Was ist mit ihm?“
Äußerlich wirkte er auf die anderen Menschen sicher nicht gefährlich, eventuell sogar ehrenwert, doch meine Sinne ließen mich mehr erkennen. Er könnte durchaus ein neues Opfer werden, Schuld hatte er genug angesammelt.
„Überprüfen Sie ihn! Graben Sie ruhig sehr tief. Oft übersieht man etwas, ich habe so ein Gespür.“
„Das klingt ja unheimlich, fast bedrohlich. Ich werde den Mann durchleuchten. Was, wenn ich nichts finde?“
„Keine Sorge, da ist etwas! Notfalls stoße ich Sie mit der Nase darauf. Das macht etwas mehr Mühe, dafür stelle ich es Ihnen dann aber auch persönlich in Rechnung. Strengen Sie sich also an!“
Gordon lächelte.
„Was ist mit mir? Gibt es da auch etwas zu finden?“
Es sollte scherzhaft klingen, aber in Russland sagen wir, dass in jedem Spaß ein Quäntchen Wahrheit steckt.
Er war wohl in Sorge.
„Man weiß nie“, orakelte ich.
„Ich muss jetzt aber gehen. Wir sehen uns. Schreib mir, Gordon!“ Ich ließ keine Widerrede zu und stand auf.
Graf Gordon von Mirbach errötete etwas. Die plötzliche private Anrede erschien ihm sehr ungewohnt.
Geflissentlich eilte er herbei, um mir beim Aufstehen zu helfen. Ich ließ es zu. Ohne zurückzusehen, verließ ich das Restaurant. Viele Blicke folgten mir, auch seine lüsternen.
Aufzeichnungen des Gordon von Mirbach
Zur Zeit arbeite ich an zwei Fällen zugleich. Seit Monaten verschwinden Mädchen spurlos. Auch der Staatsanwalt, der die Auffälligkeiten bei der Großbaustelle untersuchte, ist nicht aufzufinden. Da beides sich zu einem Skandal entwickelte und Furore in der Presse machte, wurde um die Hilfe der renommierten Detektei Barnes & Goble r gebeten, die uns eine Mitarbeiterin zuwies.
Durch die Unterstützung meines Onkels gelang es mir, die sehr ungewöhnlichen und weitreichenden Forderungen der Detektivin zu erfüllen. Es ist verwunderlich, aber die Minister gaben ihre Zusagen fast ohne Widerstand. Ich hatte mir das schwieriger vorgestellt. Die Aufklärung der beiden Fälle liegt ihnen offenbar am Herzen. Keiner darf jedoch etwas davon erfahren. Die Vereinbarungen erhielten die höchste Geheimhaltungsstufe, aber das war mir recht.
Die Recherchen über Fräulein Woroman haben bisher sehr wenig ergeben. Fast alles über sie liegt im Dunkeln.
Die Detektei, die Behörden und wohl auch diese selbst gaben sich viel Mühe, ihr wirkliches Vorleben zu verbergen. Es wirkt fast so, als hätte man sich Teile ih rer Biografie ausgedacht. Allerdings wurden ihre beruflichen Erfolge mehrfach gelobt. Ich muss da unbedingt mehr heraus bekommen. Sie soll davon aber nichts merken. Leider gibt es wenig greifbare Anhaltspunkte.
Ihre Forderungen verdeutlichten jedenfalls,
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