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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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daran hindern, daß du dir in der Aufwallung deines Herzens ein großes Hindernis in deinem Vorwärtskommen in den Weg stellst.«
    »Wenn deine Neigungen im Einklang stehen mit deinem Pflichtgefühl –«, begann Harry.
    »Das ist nicht der Fall«, erwiderte Rose aufs tiefste errötend.
    »Du erwiderst also meine Liebe?« fragte Harry. »Sag nur dies eine Wort, liebe Rose – dieses eine Wort und nimm damit deinen Worten alle Bitternis.«
    »Hätte ich so handeln können, ohne dem Mann, den ich liebe, bittres Unrecht zu tun«, sagte Rose, »dann hätte ich –«
    »Die Erklärung ganz anders aufnehmen können«, ergänzte Harry. »Nicht wahr, Rose?«
    »Es hätte sein können«, sagte Rose. »Aber genug jetzt«, setzte sie hinzu und machte ihre Hand los. »Wozu dieses schmerzliche Gespräch noch länger führen. Lebe wohl, Harry; so, wie wir heute miteinander gesprochen haben, werden wir es nie wieder tun. Möge aller Segen, den einwarmfühlendes Herz erflehen kann, dich erfreuen und beglücken.«
    »Ein Wort noch«, bat Harry, »laß mich deinen Grund von deinen eignen Lippen hören.«
    »Die Aussichten, die sich dir fürs Leben eröffnen«, antwortete Rose fest und bestimmt, »sind glänzend. Alle Ehrenstellen, zu denen ein großes Talent und gute Verbindungen Männern im öffentlichen Leben verhelfen können, warten deiner im reichsten Maß. Aber diese Verbindungen sind vornehmer Art, und ich will und werde mich weder unter solche Leute mischen, die gegen meine Mutter, die mir das Leben gab, verächtliche Gedanken hegen mögen, noch weniger aber will ich Mißgunst und Mißerfolg über den Sohn der Frau bringen, die die Stelle dieser Mutter vortrefflich an mir ausgefüllt hat. Mit einem Wort«, schloß die junge Dame und wandte sich ab, da ihre Festigkeit sie im Stiche zu lassen drohte, »es haftet an meinem Namen ein Makel, und ich will nicht, daß ihn andre mit mir tragen. Auf mir allein soll der Vorwurf ruhen.«
    »Ein Wort noch, Rose, ein einziges noch«, rief Harry und warf sich vor ihr auf die Knie. »Wenn ich weniger glücklich – das, was man in der Welt glücklich nennt – gewesen, wenn ich unbekannt oder arm, krank oder hilflos gewesen wäre, hättest du dich dann auch noch von mir gewendet?«
    »Dränge mich nicht zu einer Antwort«, erwiderte Rose. »Auf Beantwortung zu dringen wäre unedel, wenn nicht lieblos.«
    »Wenn deine Antwort lautet, wie ich fast hoffen möchte«, versetzte Harry, »dann wird ein Strahl des Glückes meinen einsamen Pfad bescheinen und die vor mir liegende Lebensbahn erhellen. Ich bitte dich, Rose, um meiner heißen Liebe willen, antworte mir auf meine Frage!«
    »Nun, wenn du ein andres Lebenslos gehabt hättest«, erwiderteRose, »und stündest du auch über mir, nur nicht so allzu hoch und so fern wie jetzt, dann wäre ich imstande gewesen, in einem zurückgezogenen bescheidenen Wirkungskreis dir helfen und beistehen zu können. Jetzt aber wäre ich dir in der Welt nur störend und hinderlich, – und solche Prüfung bliebe mir nicht erspart. Aber auch so habe ich allen Grund, glücklich, überglücklich zu sein – dann wohl, Harry, glaube mir, würde ich noch glücklicher sein.« Sie brach in Tränen aus, doch die Tränen brachten ihr nur Linderung. »Ich kann mich der Schwäche nicht erwehren, aber sie festigt nur meinen Entschluß«, schloß sie und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich muß dich jetzt verlassen.«
    »Ich bitte dich nur noch um ein Versprechen«, flehte Harry. »Einmal noch, nur ein einziges Mal – sagen wir in einem Jahr – laß mich noch einmal mit dir reden –«
    »Glaube mich nicht zu einer Änderung unsres gerechten Entschlusses umstimmen zu können«, antwortete Rose trüb lächelnd, »es wäre zwecklos und nutzlos.«
    »Nein«, sagte Harry, »nur um deinen Entschluß, wenn er feststeht, aus deinem Mund noch einmal zu hören – zum letztenmal. Ich will zu deinen Füßen niederlegen, was ich dann besitze: Stellung und Vermögen; und beharrst du dann immer noch auf deinem Entschluß, so werde ich ihn weder durch Worte noch durch Handlungen zu ändern versuchen.«
    »Gut, es gilt«, versetzte Rose. »Es wird nur eine Wiederholung von Schmerzen und Leid sein. Mittlerweile werde ich mich durchgekämpft haben, es leichter ertragen zu können.«
    Noch einmal streckte sich die Hand aus. Der junge Mann zog sie an seine Brust, drückte Rose einen Kuß auf ihre schöne Stirn und eilte dann aus dem Zimmer.

SECHSUNDDREISSIGSTES KAPITEL
    Ein kurzes

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