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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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geht’s dich am meisten an. Ich dachte nur, du seist nicht hier.«
    »Ich will dir was sagen, Bumble«, versetzte die böse Sieben, »wir brauchen deine Einmischung nicht, verstanden? Steck deine Nase nicht in Sachen, die dich nichts angehen. Man lacht schon sowieso in diesem Hause, wenn du den Rücken kehrst. Du machst dich ja jeden Tag lächerlich. Scher dich hinaus, marsch!«
    Mr. Bumble schüttelte sich, als er sah, wie die beiden alten Weiber die Köpfe zusammensteckten und kicherten.
    Einen Augenblick blieb er zögernd stehen. Da riß Mrs. Bumble die Geduld, sie griff nach einem Schaff voll Wasser, deutete nach der Türe und befahl ihm, sich sofort dünne zu machen, wenn er mit dem Inhalt nicht nähere Bekanntschaft machen wolle.
    Das hatte gerade noch gefehlt: Herabsetzung der Würde seiner Amtsperson in den Augen untergebener Personen!
    »Und das alles in sechs Wochen«, sagte Mr. Bumble zu sich selbst, und sein Herz füllte sich mit Bitternis. »Vor acht Wochen! Vor knapp acht Wochen war ich nicht nur Herr meiner Zeit, sondern auch Herr über andere. Und jetzt?«
    Es war wirklich zu viel!
    Mr. Bumble gab dem Jungen, der ihm das Tor aufschloß, ein paar Ohrfeigen und schritt gedrückt hinaus auf die Straße.
    Dann wanderte er ein paarmal auf und nieder, bis sich sein Gram ein wenig gemildert, und machte dann vor einer Schenke in einer Seitengasse halt, in der, wie ihm ein hastigerBlick durch die Vorhänge sagte, ein einziger Gast saß. Es fing stark an zu regnen. Dieser Umstand festigte seinen Entschluß. Er trat in das Gasthaus, setzte sich nieder und bestellte etwas zu trinken.
    Der Mann, der in der Stube saß, war hoch gewachsen, von dunkler Gesichtsfarbe und trug einen weiten Mantel. Er sah aus wie ein Fremder und schien, nach seinem Aussehen zu schließen, weit gewandert zu sein. Er schielte nach Mr. Bumble hinüber, dankte aber kaum auf seinen Gruß.
    Mr. Bumble schien sich wenig darum zu kümmern, trank stumm seinen Whisky mit Wasser und las äußerst wichtig in der Zeitung.
    Doch seine Stimmung wurde immer gereizter, da er, sooft er aufblickte, einen merkwürdig stechenden Ausdruck im Auge des Fremden bemerkte, der ihn mit unverhohlenem Mißtrauen beobachtete. Nachdem diese peinliche Situation eine Weile gedauert, brach der Fremde das Schweigen und fragte mit scharfer Stimme:
    »Haben Sie sich vielleicht nach mir umgesehen, als Sie vorher zum Fenster hereinspähten?«
    »Ich wüßte nicht. Ich dachte nur, Sie seien –« Mr. Bumble brach kurz ab, denn er brannte vor Neugierde, den Namen des andern zu erfahren, und glaubte, dieser würde ihn jetzt nennen.
    »Es ist schon gut. Ich sehe, Sie wissen nicht, wie ich heiße«, sagte der Fremde höhnisch, »sonst würde Ihnen ja mein Name bekannt sein. Ich möchte Ihnen übrigens nicht raten, sich danach zu erkundigen.«
    »Ich hatte nichts Böses gemeint, junger Mann«, sagte Mr. Bumble majestätisch.
    »Es macht auch weiter nichts«, spöttelte der Fremde.
    Abermalige Pause.
    Dann fing der Fremde wieder an:
    »Ich muß Sie doch schon einmal gesehen haben. Waren Sie vielleicht früher hier Kirchspieldiener?«
    »Ich bin jetzt«, sagte Mr. Bumble verwundert, »Arbeitsvorstand. Früher war ich Kirchspieldiener.«
    »Richtig«, brummte der Fremde. »Ich habe Sie auch damals mit dem Dreispitz gesehen. – Sind Sie noch immer so auf Ihren Vorteil bedacht wie früher?« setzte er scharf hinzu und blickte Mr. Bumble lauernd an.
    »Der Mensch muß stets, auch wenn er ledig ist, auf seinen Vorteil bedacht sein«, sagte Mr. Bumble sanft, »und noch mehr, wenn er’s nicht ist und wenn sich ihm Gelegenheit bietet. Die Gemeindebeamten werden nicht gut bezahlt und müssen nach Nebenverdienst scharf Ausschau halten.«
    Der Fremde lächelte und nickte. Dann klingelte er.
    »Schenken Sie Mr. Bumble noch einmal ein«, sagte er zu dem Wirt. »Viel Whisky und recht heiß. Sie trinken doch das gern, was?«
    »Bitte nicht zu stark«, lehnte Mr. Bumble schüchtern ab.
    »Sie verstehen, was das heißt, Herr Wirt«, sagte der Fremde trocken.
    Der Wirt lächelte und verschwand und kehrte mit einem Krug steifen Grogs zurück, der so stark war, daß Mr. Bumble schon beim ersten Schluck die Augen übergingen.
    »Und jetzt hören Sie zu, was ich Ihnen sage«, begann der Fremde, als der Wirt wieder draußen war. »Ich bin heute absichtlich hergekommen, um Sie zu suchen, und daß Sie hier hereinkamen, war Zufall. Ich möchte etwas von Ihnen wissen. Natürlich nicht umsonst. Hier, da

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