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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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ist fortgeritten, um mit den Verfolgern des Mörders zusammenzutreffen.«
    »Und Fagin?«
    »Bis jetzt ist er noch nicht ergriffen, wird es aber bald sein.«
    »Haben Sie sich bereits entschlossen, Mister Monks?« fragte Mr. Brownlow flüsternd.
    »Ja«, war die Antwort. »Aber versprechen Sie mir, alles geheimzuhalten?«
    »Das will ich. Warten Sie, bis ich zurückkomme. Ihre Sicherheit hängt davon ab, daß Sie hier bleiben.«
    Und Mr. Brownlow ging mit Mr. Losberne hinaus und verschloß die Türe hinter sich.
    »Haben Sie etwas erreicht?« fragte der Doktor flüsternd.
    »Vielleicht noch mehr, als ich hoffen konnte. Ich kombinierte mir aus dem, was das arme Mädchen gesagt hat, und dem, was ich schon früher wußte, das Nötige und sagte es dem Kerl auf den Kopf zu. Wir müssen jetzt eine neue Zusammenkunft für übermorgen abend festsetzen. Wir werden ein paar Stunden früher dasein, aber wir alle werden Ruhe brauchen, besonders die junge Dame. Mir kocht das Blut in den Adern, daß das arme ermordete Geschöpf noch nicht gerächt ist. Wohin gehen wir jetzt?«
    »Eilen Sie direkt auf die Polizei«, riet Doktor Losberne, »ich werde hier bleiben.«
    Und die beiden Herren nahmen hastig Abschied voneinander, fiebernd vor Aufregung.

FÜNFZIGSTES KAPITEL
    Vergebliche Verfolgung
     
    Unweit des Themseufers, wo die Kirche von Rotherhithe steht und die Bauten schwarz und schmutzig und die Schiffe noch schwärzer von Kohlenstaub sind und die niedrigen Häuser verräucherter noch als irgendwo anders in London, liegt wohl das unflätigste, widerwärtigste und unheimlichste Stadtviertel. Um dorthin zu gelangen, muß man sich durch ein Labyrinth schmaler, enger und schmutziger Straßen hindurchfinden, das von dem rohesten, ärmsten Teil der Flußuferbevölkerung dicht bewohnt ist. In den Läden liegen dort die wohlfeilsten und unappetitlichsten Nahrungsmittel gehäuft, die es geben kann; vor den Trödlerbuden hängen die schmierigsten Lumpen, und Arbeiter der niedrigsten Klasse, Lastträger, Kohlenfuhrleute, dann frech dreinblickende Dirnen und zerlumpte Kinder, kurz, derAuswurf des Themseufers drängt sich hier zusammen. Über Dockhead hinaus, in der Vorstadt Southwark, liegt die Jakobsinsel, von einem Sumpfgraben umschlossen, wohl sechs bis acht Fuß tief und fünfzehn bis zwanzig Fuß breit, wenn Flut ist. Ehemals Mill Town, jetzt Folly Ditch genannt, ist dieser Sumpf ein Themsearm, der von Schleusen reguliert wird. Steht man, wenn das Wasser eindringt, auf einer der Holzbrücken, die über den Graben führen, so kann man sehen, wie die Häuserbewohner von Hintertüren und Fenstern aus Eimer und Küchengeräte aller Art an den Mauern herablassen, um Wasser zu schöpfen, und erblickt hölzerne Galerien, die ein Dutzend Hinterhäuser mitsammen verbindet. Durch mit Papier verklebte und mit Lumpen verstopfte Fenster, aus denen Stangen hervorragen zum Wäschetrocknen, sieht man hinein in dumpfe finstere Stuben mit zerbröckelten schmutzigen Wänden.
    Auf der Jakobsinsel fehlen die Dächer über den Speichern, die Wände sind gesprungen und seit dreißig bis vierzig Jahren, als der Konkurs eröffnet wurde über diese Baulichkeiten, wurde nichts mehr repariert, und jetzt ist die Gegend weiter nichts mehr als ein ödes wüstes Eiland.
    In einem hochgelegenen Zimmer eines dieser Häuser, das wohl einer Ruine glich, dessen Türen und Fenster jedoch noch fest zu sein schienen, saßen drei Männer beisammen, in dumpfes Schweigen versunken. Sie starrten sich von Zeit zu Zeit mit angsterfüllten Mienen an. Einer von ihnen war Toby Crackit, der zweite Mr. Chitling, der dritte ein Verbrecher von ungefähr fünfzig Jahren, dem einmal bei einer Rauferei die Nase eingeschlagen worden war und über dessen Gesicht eine furchtbare Narbe hinlief.
    Es war ein entlassener Deportierter namens Kags.
    »Sie hätten sich lieber eine andre Höhle aussuchen sollen, als die beiden andern zu heiß wurden«, sagte Tobyzu Mr. Chitling, »anstatt hierher zu kommen, Sie Strohkopf.«
    »Ja, ja, warum hast du’s denn nicht getan, du Esel?« fragte Kags.
    »Ich hab’ geglaubt, ihr würdet euch über meine Anwesenheit freuen«, brummte Mr. Chitling trübselig.
    Es trat eine kleine Pause ein. Dann wandte sich Toby Crackit wieder an Chitling mit der Frage: »Wann haben sie Fagin gefaßt?«
    »Gerad’ beim Mittagessen, heut’ um zwei. Charley Bates und ich sind durch den Schornstein davon, und der Baldowerer wollte sich in dem leeren Waschfaß verstecken, aber

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