Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
Vom Netzwerk:
Dann würden wir zusammen nach Hause gehen. Und vielleicht unterwegs hüpfen. Weil sie das so gern mochte.
    Einfach nach Hause.
    Nicht reden.
    Nicht reden, nur hüpfen.
    »Hier ist das Hospiz«, sagte mein Vater.
    Es dauerte eine Weile, bis meine Mutter ausgestiegen war.
    Und noch eine Weile, bis wir in ihrem Zimmer waren, meine Mutter auf ihrem Bett saß, sich zur Seite drehte und das Kopfteil elektrisch verstellte. Ihr rotes Kleid sah schön aus auf dem weißen Bettzeug. Ich habe sie nicht an der Hand genommen, wir waren nicht auf dem Nachhauseweg. Sie lag wieder im Bett.
    »Krump«, sagte sie. »Kannst du uns mal einen Moment allein lassen?«
    Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, also trieb ich mich in der Nähe der Tür herum. An dem Knarren hörte ich, dass mein Vater zu ihr ins Bett geschlüpft war. Ich wusste, dass sie jetzt den Arm um ihn legen würde. Sie sagte etwas, doch ich konnte es nicht verstehen. Er lachte. Ein kurzes, liebes Lachen, dass ich seitdem nicht mehr gehört habe.
    Ich wartete im Gang.
    Es dauerte lange. Ich betrachtete ein Poster. Ein abstraktes Bild, vor allem Kreise. Schöne Farben: Braun, Gelb, Silbrig-weiß, wie der Sand am Meer. Der Strand in Form von Kreisen.
    Man konnte etwas dabei fühlen, konnte es aber auch in etwas anderes verwandeln. Das Gefühl, meine ich. In Kreise zum Beispiel.
    Mein Vater rief mich, und ich ging ins Zimmer. Am Bett meiner Mutter hingen sehr viel weniger Kabel als im Krankenhaus. Sofort kroch ich zu ihr. Ich vergrub die Nase an ihrem Hals und roch, wie gut sie duftete, trotz der Krankenhausluft.
    »Entschuldigung wegen gestern, Mama«, sagte ich noch einmal.
    »Du bist eine ganz Schnelle«, sagte sie und strich mir übers Haar. Mein langes Haar, das ich damals noch offen trug.
    Ich wusste, dass sie lächelte, das roch ich.
    »Schnell eingeschnappt und schnell wieder glücklich. Schon als kleines Kind warst du schnell. Bist schnell gelaufen, schnell gerannt …«
    »Hast schnell geweint«, unterbrach mein Vater sie.
    »Du meinst wohl dich«, murmelte ich in den Hals meiner Mutter hinein.
    Ein Arzt kam mit einem Blatt Papier in der Hand ins Zimmer. »Entschuldigung«, sagte er und verschwand gleich wieder.
    Meine Mutter hat den Arzt nicht mal angesehen. Wenn sie jemandem ihre Aufmerksamkeit schenkte, gab es keinen anderen auf der Welt.
    »Dein Körper ist auch ganz schnell. Es würde mich gar nicht wundern, wenn du bald deine Periode bekämst.«
    Das kam mir ziemlich albern vor, alle dachten immer, ich wäre erst neun oder so, weil mein Gesicht so rund war. Ich flüsterte: »So groß bin ich gar nicht, Mama.«
    Ich hatte das Gesicht immer noch an ihrem Hals vergraben, doch ich wusste, dass sie wieder lächelte. »Vielleicht fühlst du dich klein, aber dein Körper wächst einfach weiter. Und das ist gut so. Menschen sollten ein bisschen Raum einnehmen. Zumindest, wenn es tolle Menschen sind. Vergiss das nie, Krump, von innen bist du riesengroß.«
    Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen und versuchte, noch dichter an sie heranzukriechen.
    Mein Vater vergrub nun auch seine Nase an ihrem Hals. Es wurde zu einem Spiel – einem vorsichtigen Spiel. Wir wollten sie natürlich nicht zu sehr ermüden. Und wie auf Absprache lachten wir leise.
    »Aber was ich sagen wollte …« Meine Mutter machte eine Bewegung, als wollte sie etwas Wichtiges sagen, sodass mein Vater und ich ihr ein bisschen Platz machten.
    Doch sie fing nur wieder von meiner Periode an und dass ich Geburtstag hätte und dass Geburtstage bei anderen Völkern oft mit einer Prüfung einhergingen. Damit man beweisen konnte, dass man wirklich älter geworden war. Warum redete sie jetzt von anderen Völkern? Wir sollten uns doch nur noch auf furchtbar wichtige Dinge konzentrieren, auf Dinge, die ich mir für die Zukunft aufheben konnte, wenn ich älter war. Für danach. Für wenn sie. Für später.
    Mein Vater stand auf und schlenderte zur leeren Pinnwand neben dem Bett, in der bunte Reißzwecken steckten. Er griff nach einer Tasche und pinnte einige meiner Bilder fest.
    » … aber vielleicht sind Binden ja auch eine ernsthafte Initiation. Als ich das erste Mal meine Periode bekam«, sagte meine Mutter, »bestand meine Mutter – deine Oma – darauf, dass ich eine Art Windeln benutzte, in denen man nur furchtbar breitbeinig gehen konnte. Zwar gab es schon längst Slipeinlagen und Binden, aber Oma fand sie die reinste Verschwendung. Es wäre viel besser, waschbare …«
    »Mama!«
    »… Windeln zu

Weitere Kostenlose Bücher