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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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tragen. Und wie schmutzig die wurden!«
    »Mama!« Ich tat so, als wollte ich aufstehen, doch sie legte mir die Hand aufs Knie.
    »Wusstest du übrigens, dass es waschbare Windeln für Babys gibt? Immer noch. Aus Baumwolle. Oma wollte natürlich, dass ich dich in diese Dinger stecke. Ich glaube, sie war einfach der Meinung, alle Kinder, groß oder klein, sollten Windeln tragen. Vielleicht kannst du sie bei Gelegenheit fragen, warum. Gleich nach deiner Geburt habe ich die tatsächlich ausprobiert. Solche Baumwollwindeln. Dein Po wurde knallrot. Und geheult hast du! ›Heul du nur‹, habe ich gesagt, ›wir sind eine tolerante Familie.‹«
    »Ich hole mal Kaffee«, sagte mein Vater und ging aus dem Zimmer.
    Meine Mutter zwickte mich sanft ins Knie, und als sie mich ansah, war ihr Blick ganz traurig.
    »Krumpie, Liebes. Ich wünschte, ich müsste dir das nicht antun. Hilf mir mal eben.« Ich sollte ihr beim Aufstehen helfen.
    Als sie schließlich stand, legte sie die Arme um mich. Sie nahm mich nicht in den Klammergriff wie mein Vater manchmal, der dann so fest zudrückte, dass ich keine Luft mehr bekam. Im Gegenteil, sie nahm mich sehr behutsam in die Arme. Sehr eng und sehr zart. Das habe ich nicht lange ausgehalten. Dann musste ich mich fester an sie schmiegen, um sie deutlicher zu spüren. Als ich zu ihr aufblickte, lächelte sie strahlend. Und dieses Lächeln hat sich in meinem Kopf festgebrannt.

 
    5
     
    Der Umzug aufs Boot war ganz schnell gegangen. Alles, was nicht hineinpasste, ließen wir zurück. Oma und Opa zum Beispiel. Aber auch meine Mutter – na ja, sie wurde uns hinterhergeschickt.
    Dann segelten wir los. In die Stadt. Es war kalt, aber trotzdem stand ich mit weit ausgebreiteten Armen an Deck. Ich spürte den eiskalten Wind im Haar und am Körper. Es fühlte sich an, als hätte die Last, die mir sonst auf der Brust lag, sich für einen Moment von mir gelöst und würde vor mir herfliegen.
    Wir waren den ganzen Tag unterwegs und hatten am Abend trotzdem erst dreißig Kilometer zurückgelegt. Mein Vater und ich übernachteten zum ersten Mal an Bord, ich wuschelte ihm zum ersten Mal mit den Zehen durchs Haar, und er sagte zum ersten Mal: »Lass das, Olli.«
    In jedem Hafen, in dem wir anlegten, gab es Duschen, meistens waren sie ans Büro des Hafenmeisters angebaut. Aber ich benutzte sie nie. Es war mir unangenehm mit den ganzen Fremden dort, und ich fand die Duschen schmuddelig. Mein Haar wurde fettig und strähnig, also band ich es mit einem Gummi zusammen.
    »Richtig gemütlich, genau wie Zelten«, sagte mein Vater oft. Und wieder brach er in Tränen aus. Ich strich ihm über die Hand. Eigentlich ein Wunder, dass wir keinen Unfall hatten, beim Segeln weinte mein Vater fast nur.
    Nach sechs Tagen trafen wir hier in der Stadt ein. Wir legten in einem kleinen Hafen an, in der Nähe des Friseursalons, den mein Vater zuvor gemietet hatte. Der Schlüsselbund war uns per Post nach Friesland geschickt worden. Es gab einen Schlüssel für den Laden und einen großen verrosteten fürs Gartentor. Den Salon und den Garten kannten wir nur von Fotos, und die waren nicht mal scharf gewesen. Immerhin wussten wir, dass der Laden im Eckhaus an einer ganz normalen Straße lag, im letzten Haus am Ende einer langen Reihe, und dass daneben ein hoher Bretterzaun stand, sodass keiner einem in den Garten schauen konnte. Meine Großeltern fanden es »verantwortungslos«, dass wir den Ort, wo wir hinziehen wollten, nur von Fotos kannten. Aber mir gefiel das – ein neuer Ort, der uns gehörte, bevor wir ihn überhaupt richtig gesehen hatten.
    Bei unserer Ankunft in der Stadt stand ein altes Männlein auf dem Bootssteg. Seine Anwesenheit machte mich ganz nervös, also misslang mein Knoten, und natürlich musste er seinen Senf dazugeben: »Wenn Gott dich strafen will, schenkt er dir ein Boot.« Unglaublich, wie der schielte.
    »Hat Gott das gesagt?« Ich zog an dem Seil, das sich nicht zu einem Knoten binden lassen wollte. Es war kalt, doch die Sonne schien. Ich schwitzte.
    »Checheche«, lachte das Männlein. Er kam einen Schritt näher, ich wich zurück. Jetzt schon stieg mir sein Geruch in die Nase – noch ein Schritt und ich würde vielleicht aus Versehen zu tief einatmen, in Ohnmacht fallen und rückwärts ins Wasser plumpsen.
    Noch mehr alte Männer schlurften herbei. Die meisten sagten irgendwas über unser Boot. Dass sie alt sei, aber noch gut aussehe. Natürlich sagten die Männlein »sie«, denn alle Boote sind

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