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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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weiblich.
    Mein Vater streckte den Kopf aus der Kajüte. »Es gehört meiner Frau«, sagte er und tauchte sofort wieder ab.
    »Seiner Frau? Deiner Mutter?«, fragten die Männlein. Ich nickte und versuchte erneut, einen Knoten zu binden.
    Mein Vater blieb weg, er überließ es einfach mir, alle weiteren Fragen zu beantworten. Die dümmste – auf die ich auch die dümmste Antwort gab – lautete: »Sie hat keinen Namen, oder? Zumindest sehe ich keinen. Wie heißt sie denn?«
    »Mama«, rutschte es mir heraus.
    Als sie fertig gelacht hatten, ging es weiter mit ihren Fragen. Wann sie gebaut worden sei und wie lange sie schon im Wasser liege und wie viel Knoten sie mache und ob wir wohl oft genug das Segel hissten, weil es sonst nämlich anfinge zu schimmeln.
    Sie sagten, dass wir, falls sie ein Leck bekam, ein Stück Fleisch darauf legen müssten. Aufs Loch. »Auf das vom Boot, ne? Nicht auf das von deiner Mutter. Checheche.« Und ich dachte: Nur gut, dass mein Vater euch nicht hört. Er würde euch windelweich prügeln, euch die letzten Haare ausreißen. Nur gut, dass ihr nicht wisst, dass meine Mutter gestorben ist. Sonst würdet ihr euch selbst die Haare ausreißen.
    Ich band einen zusätzlichen Knoten um den Pfahl. Da stand ich also – ich war draußen und mein Vater drinnen in der Kajüte. Die Sonne schien und ich schwitzte, und vom Rucksack auf dem Rücken wurde mein T-Shirt nass. Eigentlich sollten wir rasch anlegen und dann auf Erkundungstour gehen, so war es ausgemacht. Nur die »wichtigsten Dinge« wollten wir mitnehmen. »Die wichtigsten Dinge darf man nicht aus den Augen lassen«, hatte mein Vater gesagt.
    Die alten Männer fragten: »Kennst du den Schielenden Nelie?«
    »Checheche«, lachte das schielende Männlein, »meine Erfindung.« Er kam herbei, löste einfach meinen Knoten und band selbst einen. Zuerst wollte ich nicht hingucken, doch dann musste ich zugeben, dass es wirklich simpel aussah. Wir übten ihn ein paarmal. Danach wollte der Schielende Nelie auch die anderen Seile auf diese Weise festknoten, doch ich sagte: »Nein danke.« Ich weiß gar nicht warum. Mein Opa war auch ein guter Erfinder. Aus einem geschickt zurechtgebogenen Stück Draht, den er an die Tischkante klemmte, hatte er einen Kleiderhaken gemacht. Und für sein Werkzeug hatte er aus aufgeschnittenen leeren Waschpulverpackungen ein Regal gebaut.
    Einmal sagte meine Oma beim Essen, früher sei mein Opa meinem Vater ein bisschen ähnlich gewesen. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Mein Opa war groß und schlank, mein Vater viel kleiner und rundlicher.
    »Innerlich«, fügte meine Oma hinzu, und mein Opa grummelte: »Früher habe ich mich genauso kindisch angestellt wie dein Vater heute.«
    Mein Vater blickte von dem Pastaberg hoch, den er auf seinem Teller aufgetürmt hatte. »Ich stelle mich nicht kindisch an!«
    Ich fragte meine Oma, wieso Opa sich geändert habe. Meinen Opa wagte ich dabei nicht anzusehen. Doch der sagte: »Irgendwann war es Zeit, Verantwortung zu übernehmen.«
    Laut hatte mein Vater gerufen: »Langweilig!« Meine Mutter hatte sich vor Lachen verschluckt, und wie fast immer hatten sich mein Vater und mein Opa den Rest des Abends gekabbelt.
    Schweigend standen die Männlein und ich auf dem Bootssteg.
    Neben dem Boot trieb ein grauer Turnschuh, der wohl früher einmal weiß gewesen war. An einer anderen Stelle trieb eine leere Farbdose in hellgrüner Brühe. Ich tat so, als würde dieser Anblick meine ganze Aufmerksamkeit fesseln. Die Männlein interessierte es offenbar nicht so brennend, denn nach einer Weile verdrückten sie sich einer nach dem anderen. Es roch nach Schlamm und totem Fisch. Zuletzt blieb der Schielende Nelie übrig, doch ich starrte so hartnäckig aufs Wasser, dass auch er sich schließlich verzog.
    Dann erst steckte mein Vater wieder den Kopf aus der Kajüte. »Sind sie weg?«
    Am liebsten hätte ich ihn kräftig gezwickt.
    Mein Vater kam fast nicht an Deck, so sperrig war der Rucksack auf seinem Rücken. Aber er schwor hoch und heilig, er habe nur die »wichtigsten Dinge« eingepackt, die wir »unbedingt« brauchen würden.
    Schnaubend und keuchend stand er schließlich auf dem Bootssteg. Ich zappelte vor Ungeduld. Doch nein, es ging immer noch nicht los. Er lief an den Pollern entlang, an denen ich die Seile festgemacht hatte, und sagte: »Ob das wohl genügend Knoten sind, Olli? Hahaha.« Er klang beinahe so bescheuert wie die alten Männer.
    Vor dem Büro des Hafenmeisters trafen wir sie

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