Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oliviane – Der Saphir der Göttin

Oliviane – Der Saphir der Göttin

Titel: Oliviane – Der Saphir der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
Vom Netzwerk:
ihre Mauern förmlich im grauen Granit verschwanden. Knorrige Kiefern und alte Tannen umragten sie wie düstere Wächter. Zwischen Rückwand und Fels befand sich eine Art Höhle, die als Stall diente. Dort entdeckte Oliviane einen hochbeinigen Rappen, der sie aus sanften dunklen Augen fragend musterte.
    Mit letzter Kraft zog sie sich in den Sattel, legte den Mantelsack quer vor sich und trat dem unwilligen Rappen auffordernd in die Seite. »Komm schon«, trieb sie ihn heiser an. »Setz dich in Bewegung! Wir haben hier nichts mehr zu suchen!«
    Oliviane umklammerte die ledernen Zügel und konzentrierte sich darauf, auf dem Rücken des Rappen zu bleiben. Tränen und Regen vermischten sich auf ihren Wangen – Oliviane konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Das ganze Elend ihrer ausweglosen Lage brach in diesem Moment über sie herein. Dass der Rappe mit dem sicheren Instinkt eines Tieres allein den Weg zu einer Landstraße fand, bemerkte sie kaum.
    Theoretisch hatte alles viel einfacher gewirkt. Sie hatte den Schwarzen Landry betäuben und danach nach Rennes reiten wollen, um sich dort der Gnade Jean de Montforts zu unterwerfen. An seinem Hof musste eine Rospordon Gehör finden – und Schutz vor der Rache eines Paskal Cocherel. Einen Schutz, den sie zudem mit dem Stern von Armor bezahlen wollte. Der rechtmäßige Fürst des Landes sollte letztendlich darüber entscheiden, was mit dem Juwel geschah. So zumindest hatte sie es sich gestern noch vorgestellt.
    Doch die Wirklichkeit hatte sie auf brutale Weise aus ihren kindischen Träumen gerissen. Während Landrys Leben in der Jagdhütte langsam verlöschte, schienen sich auch ihre Kraft und ihr Stolz immer mehr zu verflüchtigen. Sie war nicht besser als er – auch nur eine Mörderin, die ein Leben zerstört hatte, weil es den eigenen Zielen im Weg gestanden hatte. Wie kam sie dazu, sich für ehrenwerter zu halten?
    Der Umstand, dass sie über Tage hinweg unter äußerster Anspannung gelebt und kaum geschlafen hatte, trug zudem dazu bei, dass Kälte und Nässe Oliviane stärker erschöpften, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Immer wieder verschwamm die Welt vor ihren Augen, und Oliviane drohte aus dem Sattel zu gleiten. Das Pferd schien es zu spüren, und es blieb immer wieder reglos stehen, bis sie sich wieder aufrichtete und es heiser vorwärts trieb – aufs Geratewohl die Landstraße entlang, von der sie nicht einmal wusste, wohin sie führte.
    Sie entdeckte die traurige Gruppe nasser Menschen viel zu spät, die ihr plötzlich den Weg versperrte: drei schäbige Karren, deren Planen, vom Regen durchnässt, den Frauen und Kindern nur unzureichenden Schutz gewährten, und eine Handvoll Männer und Jugendlicher, die um die Deichsel des ersten Wagens stand und heftig gestikulierte. Das graue Bündel, das zu ihren Füßen lag, entpuppte sich beim Näherkommen als toter Maulesel.
    Olivianes Rappe blieb wie von selbst in der Nähe der Gruppe stehen, und ihr Anführer erfasste die Situation sofort. Das nasse, erschöpfte Mädchen, dessen Kleider einen gewissen Wohlstand verrieten, und das wohlgenährte, starke Pferd, das ganz offensichtlich einem Krieger gehörte, schickte der Himmel!
    Oliviane starrte verwirrt in das hagere braune Gesicht, das sich ihr nun entgegenhob. Schwarze lockige Strähnen klebten auf dem mageren Schädel, und eine schmale Adlernase beherrschte das befremdliche Landstreichergesicht. Gegen ihren Willen erschauerte sie, und sie hätte nicht sagen können, ob vor Furcht oder vor Kälte.
    »Gott zum Gruße, schöne Reisende!«
    Oliviane hörte die höflichen Worte, aber in ihrem schmerzenden Kopf fand sich keine Antwort darauf. Ihre Augen glitten von dem fremdartigen braunen Gesicht zu den anderen, die sie ebenso neugierig begafften wie ihr Anführer.
    »Dies ist weder das richtige Wetter noch der richtige Tag für eine Reise«, sagte der Mann, und ein heiserer Akzent verlieh seinen Worten eine fremdartige Melodie. »Willst du nicht absteigen und unter unseren Planen Schutz vor dem Regen suchen? Du siehst aus, als hättest du ein wenig Erholung dringend nötig.«
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass Oliviane seiner Aufforderung dermaßen gehorsam Folge leisten würde. Geradezu dankbar dafür, dass jemand ihr die Entscheidung abnahm, glitt sie stumm aus dem Sattel. Ihr fallender Mantelsack wurde von einer geschickten braunen Hand aufgefangen, ohne dass sie es bemerkte.
    Eine andere Hand stützte sie freundlich und bewahrte sie vor einem

Weitere Kostenlose Bücher