Oliviane – Der Saphir der Göttin
anderen zu sein schien, konnte er bei diesen Gelegenheiten kein Zeichen von Erschöpfung an ihr entdecken. Dies war unzweifelhaft das Leben, für das sie geboren und erzogen worden war. Die Herrin eines großen Hauses sein!
Sie hatten beide Grund, mit sich und ihrer Arbeit zufrieden zu sein, und doch war Oliviane es nicht. Die vielfältigen Pflichten gaben Hervé de Sainte Croix einen vortrefflichen Grund, sie zu meiden. Es gab Tage, an denen sie ihn nicht einmal zu Gesicht bekam, und die Sehnsucht nach ihm war immer schwerer zu ertragen. Nur ihr Stolz bewahrte sie davor, ihm einfach wie ein lästiges Hündchen nachzulaufen.
»Lasst es gut sein, Herrin!«, riss sie in diesem Moment die Köchin aus ihren Gedanken. »Ihr werdet einen Ziegelstein aus diesem Brot machen, wenn Ihr es weiter so knetet und schlagt!«
Oliviane sah auf ihre bemehlten Fäuste, die, tief in der Teigmasse vergraben, ein Eigenleben geführt hatten. Mit einem tiefen Seufzer löste sie sie und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, wobei sie einen Mehlstreifen über den Brauen hinterließ.
Die Köchin war eine stämmige Bretonin, die sich Oliviane für diese Stellung selbst angetragen hatte, und sie hatte bisher keinen Anlass gesehen, diese Entscheidung zu bereuen. Gwenna war die Witwe eines Fischers und Mutter einer großen Kinderschar, die nun nicht länger Hunger leiden musste. Und dies war einer von zahlreichen Gründen, weshalb Gwenna ihre neue Herrin ins Herz geschlossen hatte, die so hart schuftete wie kaum eine der Mägde. Andernfalls hätte sie vielleicht nicht gewagt, die junge Frau auf ihren verborgenen Kummer anzusprechen.
»Männer schätzen es, wenn frisches und lockeres Brot auf dem Tisch bereitliegt, aber sie vergessen meist, danach zu fragen, wer dieses Wunderwerk gebacken hat. Wenn Ihr dem Seigneur die eigene Blindheit vor Augen führen wollt, müsst Ihr schon handfestere Mittel ins Feld führen ...«
»Was meinst du damit?« Oliviane runzelte verblüfft die Stirn.
»Verzeiht«, Gwenna rührte ein letztes Mal im Suppentopf, der auf dem Feuer stand, und trat näher zu ihrer Herrin. »Aber es bricht mir das Herz, wenn ich Euch noch länger dabei zusehen muss, wie Ihr Euch grämt. Warum sagt Ihr ihm nicht einfach, was Ihr fühlt?«
Oliviane errötete. Sie holte tief Luft, um dann doch nur mit den Schultern zu zucken. Gwenna hatte Recht. Weshalb sollte sie sie für die Wahrheit rügen?
»Das hab’ ich längst getan, Gwenna. Und weißt du, was er mir geantwortet hat? Er will lieber zur Hölle fahren, als sein Schicksal mit dem meinen verbinden!«
Die Köchin runzelte unter der frisch gestärkten Leinenhaube die Stirn und schnaufte missbilligend über so viel Ahnungslosigkeit. »Aha? Und deswegen sieht er Euch an wie ein magerer Hofhund einen verlockenden Knochen, sobald er glaubt, dass Ihr es nicht bemerkt!«
»Tut er das?« Die aufkeimende Hoffnung in Olivianes Augen sprach für sich.
»Ihr müsst es bemerkt haben!« Gwenna sah die Verlegenheit ihrer Herrin und kam zu der Erkenntnis, dass sie bei aller Tüchtigkeit und allem Fleiß von Männern keine Ahnung zu haben schien. »Er will Euch, daran kann es keinen Zweifel geben.«
»Das wäre schön«, seufzte Oliviane und rieb ihre Mehlhände über der Schüssel von den Teigresten frei. »Aber er hat den härtesten Schädel im ganzen Land. Er wird im Notfall lieber sich selbst schaden als zuzugeben, dass er sich getäuscht hat.«
»Dann bringt Ihr ihn am besten in eine Lage, in der keine Worte mehr nötig sind«, schlug Gwenna mit ihrem praktischen Hausfrauenverstand vor.
»Heilige Anna!« Oliviane lachte gequält auf. »Als ob das so einfach wäre! Ich kann ihm doch nicht schon wieder ein Holzscheit über den Kopf ziehen!«
»Habt Ihr das schon einmal getan?« Auf Gwennas rundem Gesicht erschien ein beeindrucktes Lächeln. »Ich wusste, dass Ihr eine Frau mit Tatkraft und Verstand seid. Jetzt fühlt er sich in seinem männlichen Stolz verletzt und möchte, dass Ihr vor ihm auf dem Boden kriecht. Das erklärt natürlich einiges! Dann müsst Ihr es anders anpacken ...«
»Ich werde nicht auf die Knie gehen ...«, brauste Oliviane auf und wurde von ihrer Köchin sogleich unterbrochen. »Natürlich nicht, das verlangt ja niemand. Das ist ja das Übel, wenn zwei Dickköpfe aufeinander treffen. Einer von euch beiden wird seinen Stolz aufgeben müssen, und ich fürchte, dass Ihr es sein müsst. Als noble Jungfer könnt Ihr Euch ja schlecht in seinen Alkoven legen oder
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