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Olympiareife Nummern

Olympiareife Nummern

Titel: Olympiareife Nummern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johnannknecht
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hätte! Aber ich will nicht kleinlich sein.

    Ursel musterte mich kritisch und sagte zu Renate: „Man merkt, dass du nicht mehr kochst..."
    „Mutti!", sagte Renate, „Ich habe auch abgenommen!" „Na, das ist ja wohl was ganz anderes ... der Stress, den du aushalten musst ...!" Es klingelte. Kurz darauf waren Nicks und Christophs Stimmen zu hören.
    „Oh, hallo Oma!", sagte Chris beim Reinkommen, „ey Papa, stark, du bist ja schon fertig! Kann ich auch mal drauf?" „Natürlich", sagte ich, „denkst du etwa, es hält nicht?" In dem Moment kam Nick mit einer gelben Rutsche ins Zimmer.

    „Vorsicht!", sagte er, „Kopf einziehen!" Meine Schwiegermutter begaffte ihn neugierig und konnte ihn nirgendwo hinpacken, das sah ich ihr an.
    Ich half ihm und gemeinsam setzten wir die Rutsche an das kleine Podest, wo sie angeschraubt werden sollte. „Astrein", sagte ich, „die ist ja tatsächlich noch ganz neu!" „Ja, ne? Die kam aus so 'nem riesigen Luxushaus, die Kinder hatten jeder ein Schlaf- und ein Spielzimmer, stell' dir vor! Und ein eigenes Bad mit Klo samt Bidet! Und ein Dienstmädchen mit 'ner weißen Spitzenschürze rannte da rum, ich dachte schon, ich wäre in die Kulissen für so einen Adelsschinken geraten ... der Butler hatte heute bestimmt Ausgang, sonst hätte der mir noch die Tür aufgehalten ... ach, Schatz, du hättest dabei sein sollen!" Nick boxte mich grinsend in die Seite.
    „Du, ich guckte ständig aus dem Fenster, weil ich mir so was von sicher war, dass sich da draußen auf den Rabatten bestimmt ein knackiger, spanischer, stockschwuler Gärtner namens Jose rumtreiben musste ... den hätte ich zu gern gesehen ... was ist?" Ich lachte über Ursels Gesichtsausdruck. Sämtliche Züge waren entgleist bei Nicks launiger Rede. „Ach, Ursel", sagte ich freundlich, „das hier ist übrigens Nick, mein schwuler Freund! Wir sind seit dem Urlaub zusammen!"
Das ging runter wie Öl. Das musste ich mir einfach gönnen. Und es ist doch schön, dass ich ihr zu guter letzt die Freude machte, sämtliche Vorurteile über meine Person mit dieser Aussage ein für alle Mal zu bestätigen (obwohl: für schwul hatte sie mich bisher doch noch nicht gehalten!). Damit nicht genug. Ursel musste noch mehr ertragen. Nach dem Geständnis ließ ich mich auch noch dazu hinreißen, Nick den Arm um die Taille zu legen und ihm ein Küsschen auf die Wange zu drücken. Er wertete dies als Aufforderung, strahlte mich glücklich an und küsste zurück - auf den Mund!
Und dann krähte auch noch Lily begeistert los und gab ihr vollends den Rest mit dem Zwischenruf: „Nick wohnt bei uns und schläft bei Papa im Bett!"
Einen kurzen Augenblick lang hatte ich richtig Schiss, es würde sie der Schlag treffen ... Ich gebe zu, es war ein bisschen viel auf einmal für sie.
Den Kaffee tranken wir dann übrigens bei Nick in der WG. War sowieso gemütlicher! Renate hatte uns einen Stapel frischgebackener Waffeln mitgegeben, die wir nackt im Bett verzehrten ... das war 'ne ganz schöne Sauerei! Alles war hinterher klebrig vom Puderzucker und so ... Als wir die Kinder am Abend abholten - es war Sonntag - zog mich Renate auf dem Flur beiseite (Ursel war immer noch da), „sie hat mir geraten, dir die Kinder wegzunehmen", sagte sie leise, „wegen der Ansteckung." „Was für 'ne Ansteckung?", fragte ich. „Aids. Sie ist sich sicher, dass du Aids hast... wo du doch so dünn geworden bist und überhaupt ..." Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Ob ich auch mal so werde wie sie?" Ich sah sie nachdenklich an und dachte noch über eine passende Antwort nach, als Nick vergnügt sagte: „Nicht, wenn du weiterhin engen Kontakt mit netten Schwulen pflegst, nicht wahr?" Und er sah mich an und grinste. „Komm', Mausi", sagte er dann affektiert mit verstellter hoher Stimmlage, weil Ursel gerade über den Flur ins Bad ging, „ ich will endlich nach Hause, dein Katerchen hat großen Hunger!" Ich liebe seinen Humor. Noch nie zuvor habe ich so viel gelacht und so viel Spaß gehabt wie mit Nick. Das ist mir vorher nie so aufgefallen, vielleicht weil Renate und ich uns nie so ausgeschüttet haben vor Lachen, aber ich weiß, dass ich nicht mehr darauf verzichten möchte. Auf all' die kleinen alltäglichen Situationen, die ich plötzlich mit ihm ganz anders wahrnehme. Jetzt kann ich sogar Elternabende ertragen, wenn er dabei ist. Wir sitzen nebeneinander und drücken unsere Beine zusammen, wenn von den Müttern oder Vätern wieder einer zu schwafeln

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