Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
Vom Netzwerk:
zu. «Der Bestatter ist gleich da drüben.»
    Sie deutet auf ein Haus am Hafen.
     
    Für Bestatter stellt sich vermutlich immer die Frage, was sie im Schaufenster zeigen sollen: eine Urne, eine Tafel mit einem Sinn- oder Werbespruch («Wenn es mal so weit ist, soll es schön sein»), ein Foto, das die Ewigkeit darstellen soll, z.   B. ein herbstlicher Laubbaum oder eine Meeresaussicht (beides gerne in Schwarz-Weiß). Im Hamburger Schanzenviertel habe ich sogar schon bunte Särge mit Hundertwasser-Motiven gesichtet. Bei Hauke Hansen sieht man hingegen nur halbdurchsichtige Gardinen und ein kleines Schild, auf dem schlicht steht: «Hauke Hansen, Bestattungen, Tag & Nacht», mehr nicht.
    Sehr angenehm.
    Ich halte Maria die Tür auf und betrete das erste Mal in meinem Leben ein Bestattungsinstitut. Eine helle Türklingel kündigt Kundschaft an, als befänden wir uns in einem Tante-Emma-Laden. Ich bin dankbar, dass wir die einzigen Kunden sind und dass hier außer dem Kalender «Leuchttürme der Welt» keine weiteren Bilder an der Wand hängen. Ein Schreibtisch, darauf ein Apple-Notebook und ein Notizblock, drei Sessel, das ist alles.
    Jetzt kommt Bestatter Hauke Hansen aus dem Nebenzimmer herein. Er ist ungefähr so alt wie ich, hat blondesHaar und trägt einen korrekten Seitenscheitel. Seine blauen Augen mustern uns neugierig. Er ist braun gebrannt, trägt ein dunkles Hemd, eine dunkle Hose, aber keinen Schlips und kein Jackett.
    «Moin, Hansen», grüßt Maria freundlich.
    Er schüttelt ihre Hand: «Maria, nicht? Ohne Uniform hätte ich dich kaum erkannt.»
    Wie es scheint, versucht Hansen zu verbergen, dass er ein Kaugummi im Mund hat. Deswegen kaut er, wenn gerade jemand von uns redet, ganz schnell zwei-, dreimal und schiebt es dann wieder nach hinten.
    «Wir kennen uns aus dem Erdbeerparadies», erklärt mir Maria.
    Das ist die traditionelle Disco auf der Insel.
    «Ich bin Sönke Naumann, der Enkel von Imke Riewerts, aus Hamburg», stelle ich mich umständlich vor.
    Er versteht: «Kommt ihr wegen Imke?»
    Ich erinnere mich noch schwach an seinen Vater, der unseren Opa bestattet hat: ein unterwürfiger Mann mit künstlich gesenkter Stimme, wie ein Oberkellner in einem feinen Restaurant. Hansen sieht dagegen eher so aus, als ob er den größten Teil seiner Zeit am Strand oder in der Disco verbringt.
    «Nee, Oma geht es gut», beruhigt ihn Maria. «Es ist ihr   …»
    «…   ihr Freund», springe ich ein, «er ist heute gestorben. Sie sollen ihn bestatten.»
    «Mein Beileid. Wann genau ist er denn gestorben?»
    «Heute Mittag.»
    «Und wo?»
    «Auf Amrum.»
    «Ahja. Welcher Bestatter ist denn bisher zuständig?»
    «Keiner.»
    «Dann bräuchte ich mal die Adresse.»
    Er nimmt seinen Kugelschreiber in die linke Hand und dreht ihn mit Zeige- und Mittelfinger im Kreis herum.
    «Nein, das ist bereits erledigt», sage ich, «der Tote ist schon unterwegs nach Föhr.»
    Dr.   Behnke müsste jeden Moment mit Johannes am Fährhafen gegenüber ankommen.
    «Und wie kommt er hierhin?»
    «Im Krankenwagen.»
    Hansen starrt uns an und hippelt dabei mit den Beinen unter dem Schreibtisch: «Das ist aber nicht erlaubt.»
    «Man darf einen Toten ein paar Tage bei sich zu Hause behalten.»
    «Ja, aber nicht transportieren.»
    Der arme Hansen muss sich sichtlich sammeln, denn das hier weicht doch sehr vom üblichen Standard auf der Insel ab. «Und wo wird der Tote dann liegen?»
    Sein Kiefer bewegt sich dreimal ganz schnell, dann parkt er sein Kaugummi wieder zwischen den linken Backenzähnen.
    «In der Praxis von Dr.   Behnke.»
    Maria schaut auf ihre Armbanduhr: «In ungefähr zehn Minuten.»
    Jetzt kann Hansen vor Aufregung seine Beine gar nicht mehr still halten: «Beim Arzt?»
    «Ja, im Wartezimmer.»
    Zufällig hatte Dr.   Behnke die Praxis gerade für ein paar Tage geschlossen, wegen Urlaubs, und konnte uns daher sein wunderbares Wartezimmer unter dem Reetdach als Aufbahrungsraum anbieten. Johannes hätte sich vermutlich lieber in Omas Wohnung am Sandwall gesehen, aber dort würde Oma die Musik von der Kurmuschel doch zu sehr stören.
    «Im Wartezimmer», wiederholt Hansen ungläubig. «Wie heißt der Verstorbene denn?»
    «Professor Dr.   Johannes Gutthold.»
    Endlich was Handfestes: Er schreibt sich den Namen auf einen Zettel.
    «Und wie stellt ihr euch die Beerdigung vor?»
    Dreimal kauen.
    «Eine Seebestattung vom Kutter aus.»
    Jetzt schaut er uns bedauernd an: «Das geht nicht.»
    «Wieso das denn nicht?», staune

Weitere Kostenlose Bücher