Omega
den Himmel.
An Bord der Regunto war nicht ein Mann, der den Sonnenuntergang nicht fürchtete. Die Nacht brachte T’Klot herbei, schwarz und furchtbar erhob es sich über den neuen Kontinent. Den Gedanken abzuschütteln, es sei hinter ihnen her, war unmöglich.
Nach einer Weile ließ der Regen nach, und sie segelten wieder unter einem sanften Nordwestwind. Die See verwandelte sich in einen Spiegel, und die Welt war still.
Die Regunto setzte Segel und glitt an silbrigen Klippen vorüber.
Der Kapitän kam an Deck, schlenderte zwischen den Matrosen einher, beruhigte sie und fand sogar Gründe zum Lachen. Telio wartete auf eine Gelegenheit, allein mit ihm zu sprechen.
Als diese gekommen war, fragte er, ob der Kapitän einen Augenblick Zeit für ihn habe. »Wenn ich mir die Kühnheit erlauben darf, Kapitän.«
»Aber sicher«, sagte dieser und sah sich nach dem Leutnant um, der tonlos Telios Namen mit den Lippen formte. »Das war ein überraschender Sturm, nicht wahr?« Und, ohne auf eine Antwort zu warten: »Was kann ich für dich tun, Telio?«
Telio blickte zu den Korbs auf,die auf den Masten arbeiteten und die Segel neu setzten. »Das war es allerdings, Kapitän«, sagte er.
Krolley war groß und schlank, hatte eine gemaserte Haut und ein heiteres Gemüt. Einiges an ihm erinnerte an einen Gelehrten: die wohl überlegte Wortwahl, die sorgfältige Aussprache, die intelligenten Augen mit dem goldenen Schimmer. Seine Haltung war perfekt, seine Miene stets beherrscht. Sogar jetzt, nach einem schweren Sturm, der ihm keine Gelegenheit gegeben hatte, seine Kleider zu wechseln, sah er tadellos aus. Es war beinahe, als wäre er stets darauf vorbereitet, einem Künstler Modell zu sitzen.
»Kapitän, einige von uns sind wegen T’Klot besorgt.«
Krolleys Kopf ruckte auf und nieder. »Aha. Ja.« Er lächelte dem Leutnant zu, ein Lächeln, das andeutete, dies sei die Art Banalität, mit der sich Seeleute nur zu gern abzuplagen pflegten. Die Unterklasse. Nichts, was man allzu ernst nehmen müsste. »Das ist nichts Schlimmes, Telio. Es ist nur ein Wetterphänomen. In ein paar Tagen werden wir es hinter uns haben.«
»Kapitän…«
Doch er klopfte Telio nur auf die Schulter und sagte: »Darüber musst du dir nicht den Kopf zerbrechen. Achte einfach gar nicht darauf, und dann wirst du bald merken, dass es dich auch nicht beachtet.«
Er wollte sich entfernen, aber Telio blieb dran. »Kapitän, das Ding ist nicht natürlich. Es ist kein Sturm, dem wir davonsegeln können. In der Mannschaft glauben manche, es wäre hinter uns her.«
Der Leutnant versuchte zu intervenieren und bedachte Telio mit einem gestrengen Blick. Er würde wohl einige Tage lang das Deck schrubben dürfen. »Telio.« Der Kapitän war vorsichtig, weil sich bereits einige Matrosen in der Nähe eingefunden hatten, die aufmerksam auf seine Worte lauschten. »Du bist ein Gelehrter. Ein Apotheker. Du weißt so gut wie ich, dass die Welt nicht von übernatürlichen Mächten beherrscht wird.«
»Dessen bin ich nicht mehr sicher, Kapitän«, widersprach Telio.
»Bedauerlich.« Der Kapitän musterte ihn eingehend. »Behalte die Nerven, Telio. Und deinen Verstand.«
BLACK CAT REPORTAGE
Auf dem Intigo ist jetzt früher Nachmittag, Ron. Die Bilder, die Sie hier sehen, verdanken wir den Überwachungseinrichtungen der Akademie für Wissenschaft und Technologie. Derzeit sehen wir einen Ausblick auf das Hafengebiet von Roka. Auf unserem Ausweichkanal ist auch eine Karte abrufbar.
Wie dem auch sei, augenblicklich ist hier alles ruhig. Der Regen hat aufgehört – der Regen über dem Isthmus legt schon den ganzen Tag über immer wieder Pausen ein. Zwar können wir auf den Straßen niemanden sehen, aber es sind noch einige Goompahs in den Städten geblieben. Vermutlich ältere Leute, aber wie es scheint, sind auch noch ein paar andere, die eigentlich hätten fliehen können, bei ihnen geblieben.
So wie hier sieht es überall auf dem Intigo aus. Ich bin versucht zu behaupten, es erwecke den Anschein, als wartete er darauf, dass etwas geschieht. Aber das ist nur ein subjektiver Eindruck. Ich weiß, dass die Flutwellen kommen werden. Die Bewohner wissen das nicht. Aber sie sind sich sicher bewusst, dass ihnen in der kommenden Nacht eine ernsthafte Gefahr droht.
Mein Name ist Rose Beetem, und ich berichte für Sie von Lookout.
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Wir treiben in einer göttlichen Flut. Die, die die Götter lieben, werden sich an einer freundlichen und liebreizenden
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