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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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Entscheidung gefällt, denn von Skrupeln war er nicht geplagt.
    Als das Schiff gegen ein Uhr nur mehr zwanzig Seemeilen vom Land entfernt war, ließ der Erste Offizier beidrehen und gab den Befehl, das Beiboot zu Wasser zu lassen. Die Matrosen legten zwei Ruder, einen Mast, ein Segel, eine Tüte Zwieback und etwas Pökelfleisch hinein. Flip, der nicht festgenommen worden war, sah dabei zu. Was hätte er allein gegen alle anderen ausrichten sollen?
    Als die Vorbereitungen beendet waren, befahl Bob Gordon, Mrs. Clifton und ihre vier Kinder in das Boot zu bringen, und deutete dann auf das in Sicht liegende Land.
    Die arme Frau wollte den Bösewicht erweichen. Sie flehte und weinte und beschwor ihn, sie nicht von ihrem Mann zu trennen. Doch Bob Gordon winkte ab; er wollte davon nichts hören. Vermutlich gedachte er, sich des Ingenieurs Clifton auf eindeutigere Art und Weise zu entledigen, und auf das Bitten der Unglücklichen erwiderte er nur: »Hinein mit dir!« Ja! Das führte der Lump im Schilde! Er wollte diese Frau und ihre vier Kinder mitten auf dem Ozean in einem zerbrechlichen Boot aussetzen, obwohl er genau wußte, daß sie ohne die Hilfe eines Seemannes verloren waren; seine Komplizen, die ebenso niederträchtig waren wie er, blieben taub gegen die Bitten dieser Mutter und das Weinen ihrer Kinder! »Harry! Harry!« rief das unglückliche Weib immer wieder.
    »Vater! Vater!« schrien die armen Kinder.
    Der älteste, Marc, griff zu einem Belegnagel und stürzte sich auf Bob Gordon, der ihn aber mit der Hand zur Seite stieß, und bald wurde die beklagenswerte Familie in das Boot gesteckt. Ihre Schreie waren herzzerreißend. Harry Clifton mußte sie aus seiner Kabine heraus mit anhören, wo man ihn angekettet hatte. Sein Hund Fido antwortete auf die Rufe mit wildem Gebell.
    Da wurde auf Befehl Bob Gordons die Leine, mit der das Boot noch an der
Vankouver
festgemacht war, losgeworfen, und mit gebraßten Segeln entfernte sich das Schiff.
    Wie ein echter Seemann stellte der wackere Marc sich mit fester Hand ans Ruder, um das Boot geradezuhalten; doch da das Segel nicht gesetzt werden konnte und die Wellen von der Seite an die Bootswand schlugen, drohte das Fahrzeug jeden Augenblick zu kentern.
    Plötzlich stürzte von der Hütte der
Vankouver
ein Körper ins Meer. Es war der Matrose Flip, der ins Wasser gesprungen war und nun kraftvoll auf das Boot zuschwamm, um den Ausgesetzten zu Hilfe zu kommen.
    Bob Gordon sah ihm nach. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, den Flüchtigen zu verfolgen. Dann aber blickte er zum Himmel hinauf, der bedrohlich aussah. Da kam ein hämisches Grinsen auf seine Lippen. Er ließ das Focksegel und die beiden Bramsegel setzen, und bald schon lag eine beachtliche Entfernung zwischen der
Vankouver
und dem Beiboot, das nur mehr als kleiner Punkt auszumachen war.
Fußnoten
    1 Volumeneinheit, die 2,83 m 3 entspricht.
Kapitel 3
Die ersten Augenblicke – Der Sturm – Flips aufmunternde Worte – Die Segel werden gerefft – Wie die Küste aussieht – Der Brecher – Zwischen den Klippen – Der besorgte Flip – Die Landung.
    Der brave Flip hatte in wenigen Zügen das Boot erreicht und war geschickt hineingeklettert, ohne es aus dem Gleichgewicht zu bringen. Seine Kleider klebten ihm am Körper, doch kümmerte ihn das nicht weiter. Seine ersten Worte waren: »Keine Angst, meine jungen Herren, ich bin’s!«
    Und an Mrs. Clifton gewandt: »Wir schaffen das schon, Madame, das Schwierigste haben wir hinter uns!«
    Zu Marc und Robert sagte er schließlich: »Helfen Sie mir, meine lieben Jungen!«
    Dann teilte er jedem eine Aufgabe zu, setzte das Segel, straffte mit Hilfe der beiden Jungen das Fall, machte die Schot hinten fest, nahm das Ruder in die Hand und segelte hart am Wind, um unter Ausnützung der Flut trotz des Gegenwindes näher an die Küste zu kommen.
    Man kann sich denken, wie es weiterging. Der beherzte Flip munterte seine Schicksalsgenossen auf, sprach zu ihnen mit dem unerschütterlichen Selbstvertrauen, das ihm eigen war, beruhigte die Mutter, lächelte den Kindern zu und achtete dabei auch noch darauf, daß das Boot nicht im mindesten von seiner Route abkam. Seine Stirn aber wurde kraus, die Lippen verzogen sich, und es packte ihn unbezähmbares Entsetzen, wenn er das zerbrechliche Boot sah, die noch acht bis zehn Seemeilen entfernte Küste, den schneidenden Wind und die am Horizont aufziehenden, verdächtig dicken Wolken. Zu Recht dachte er, daß er verloren war, wenn er

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