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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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mit dieser Flut nicht ans Ufer gelangte!
    Nachdem das kleine Mädchen noch einmal nach seinem Vater gefragt hatte, war es in den Armen der Mutter wieder eingeschlafen, und auch sein Brüderchen dämmerte vor sich hin. Die beiden Großen nahmen aktiv an den zahlreichen Wendemanövern teil. Die unglückliche Mrs. Clifton dachte an den fern von ihr der Gewalt einer revoltierenden Schiffsmannschaft ausgelieferten Gatten, und wenn sie mit ihren verweinten Augen auf die Kinder blickte, was konnte ihr da anderes in den Sinn kommen als das elende Schicksal, das sie an dieser fremden Küste erwartete, die vielleicht unbewohnt, vielleicht aber auch von einer grausamen Menschenrasse bevölkert war! Und doch mußten sie dort an Land gehen, sonst war ihnen der Untergang gewiß. Deshalb wurde sie trotz ihrer Willenskraft von Niedergeschlagenheit erfaßt und vermochte ihren Schmerz nicht zu bezwingen, obwohl sie doch ein Vorbild an Mut und Schicksalsergebenheit sein wollte; und zwischen zwei Schluchzern entfuhr ihr immer wieder der Name Harry.
    Aber schließlich war ja Flip da, der tüchtige Mann, dem Mrs. Clifton schon mehrfach die Hand gedrückt hatte. Sie sagte sich, daß der Himmel sie wohl nicht ganz verlassen hatte, wenn ihr ein so zuverlässiger Gefährte und treuer Freund zur Seite stand.
    Während der Fahrt auf der
Vankouver
hatte Flip ihren Kindern viel Zuneigung entgegengebracht und oft und gerne mit ihnen gespielt! Ja, an all das dachte die Unglückliche nun, doch dann gewann wieder die Verzweiflung die Oberhand, und nach einem letzten Blick auf die unendliche, menschenleere Weite traten ihr wieder Tränen in die Augen, aus ihrer Brust brachen Schluchzer hervor, und mit in den Händen vergrabenem Haupt saß sie unbeweglich da, besinnungslos und niedergeschmettert.
    Um drei Uhr nachmittags war das nunmehr deutlich sichtbare Land in Luv weniger als fünf Seemeilen entfernt. Die Wolken zogen rasch herauf. Die Sonne, die sich im Westen neigte, ließ sie noch schwärzer erscheinen, und das hier und da glitzernde Meer stach gegen das Himmelsdunkel ab. All diese Anzeichen verhießen nichts Gutes.
    »Gewiß«, murmelte Flip, »gewiß, das sieht alles böse aus. Wenn man die Wahl hätte, würde man sich etwas anderes aussuchen. Zwischen einem wohlig warmen Haus mit anständigem Kamin und diesem Boot hier würde die Entscheidung leichtfallen. Aber wir haben nun mal keine Wahl!«
    Da schwappte eine große Welle seitlich auf das Boot zu, versetzte ihm einen tüchtigen Stoß, und ein Schwall Wasser ergoß sich über das Boot. Erwischt wurde von der Sturzsee der vorne stehende Marc, der sich daraufhin schüttelte wie ein nasser Hund.
    »Gut, Monsieur Marc, sehr gut, Monsieur Marc! Ist ja nichts weiter als ein bißchen Wasser, gutes, ordentlich gesalzenes Meerwasser! Das hat noch keinem geschadet!«
    Dann lockerte der Seemann die Schote und ließ dem Boot ein wenig Spielraum, um größeren Brechern auszuweichen. Dann redete er weiter mit sich selbst, wie es in ernsten Situationen seine Art war: »Wenn wir wenigstens an Land wären, auf dem verlassenen Stück Erde dort, anstatt hier in dieser Nußschale mit den Wellen zu kämpfen, und wenn wir wohlbehalten in einer Grotte säßen, das wäre bestimmt besser! Aber dort sind wir nun mal nicht! Wir sind auf diesem Meer, das uns seine Launen unter Beweis stellen will, und was man nicht verhindern kann, das muß man eben durchstehen!«
    Der Wind blies jetzt noch stärker. Selbst in der Ferne sah man, wie von den Böen auf der Meeresoberfläche weiße Schaumkronen aufgetürmt wurden, und über die breiten Wellen trieb Gischt dahin. Das Boot neigte sich bedenklich zur Seite, und der wackere Seemann runzelte die Stirn.
    »Wenn wir«, fuhr er fort, »da wir schon weder Haus noch Grotte haben, wenigstens an Bord einer soliden Schaluppe mit einem richtigen Deck wären und die Brecher uns nichts anhaben könnten, hätten wir es wahrlich gut getroffen. Aber von wegen! Nichts als einfache Bretter! Na, solange die Spanten halten, brauchen wir uns nicht zu beklagen. Aber das ist noch lange kein Grund, daß wir unser ganzes Segel draußenlassen, wenn der Wind so heftig wird!«
    Tatsächlich wurde es höchste Zeit, das Segel ein wenig einzuholen. Das Boot lag ganz schräg und drohte sich mit Wasser zu füllen. Flip setzte es wieder aufrecht in den Wind, ließ das Fall schießen und reffte das Segel. Als das Boot nicht mehr so stark unter Druck stand, fuhr es wieder gleichmäßiger dahin. »Sehr gut,

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