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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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war ein Brief, den er eines Nachts empfing, als er mit betrunkenen Freunden zechte. Er öffnete ihn und heraus fiel eine Locke von langem, welligem Haar, die sich um seine Finger wand. Der Brief enthielt die Mitteilung, daß seine Mutter gestorben sei und ihn im Sterben gesegnet und ihm verziehen habe.
    Oft in tiefer Nacht, nach Trinken, Toben und Fluchen, hatte er plötzlich gesehen, wie seine Mutter neben seinem Bett stand, und gespürt, wie sich die Haarlocke sanft um seine Finger ringelte, bis ihm der helle Schweiß über das Gesicht rann und er voll Entsetzen aus dem Bett sprang.
    »Zum Henker«, sprach Legree zu sich selber, als er seinen Punsch schlürfte, »wo hat er das her? Wenn es nicht so ähnlich ausgesehen hätte – puh! Ich dachte, ich hätte es längst vergessen. Als ob man so etwas vergessen könnte!«
    »Eines weiß ich«, fuhr er fort, als er ins Wohnzimmer zurück torkelte und sich hinsetzte. »Ich werde von nun an den Kerl in Ruhe lassen! Was hab ich auch mit seinem verfluchten Papier zu schaffen! Ich glaube, ich bin behext, ganz gewiß! Ich habe nur noch geschlottert und geschwitzt! Wo hat er das Haar her! Es kann ja nicht dasselbe sein! Das hab' ich doch verbrannt, das weiß ich ja! Es wär' ja ein Witz, wenn Haare auferstehen könnten!«
    »Heda!« rief Legree und pfiff aufstampfend den Hunden, »wacht mal auf, einer von euch, und leistet mir Gesellschaft!« Aber die Hunde öffneten nur schläfrig ein Auge und schlossen es wieder.
    »Ich werde mir Sambo und Quimbo holen, die sollen mir mit ihren Höllentänzen diese Gedanken vertreiben«, beschloß Legree, seinen Hut aufstülpend; er begab sich auf die Veranda und blies in ein Horn, womit er gewöhnlich die beiden Halunken herbeirief.
    War Legree gnädig gelaunt, so ließ er diese beiden öfters kommen, heizte ihnen mit Whisky ein und unterhielt sich dann damit, sie singen, tanzen, raufen zu lassen, wie es ihm gerade einfiel.
    Es war zwischen ein und zwei Uhr in der Nacht, als Cassy von ihrem Samaritergang zurückkehrte und aus dem Wohnzimmer Schreien, Lärmen und Gesang vernahm, in das sich Hundegebell und allgemeines Getöse mischten.
    Rasch eilte sie zu einer Hintertür, stahl sich nach oben und klopfte an Emmelines Tür.

35. Kapitel
    Emmeline und Cassy
    Cassy betrat das Zimmer und fand Emmeline blaß vor Angst in der hintersten Ecke kauernd. Als sie eintrat, fuhr das Mädchen nervös in die Höhe, aber als es sah, wer es war, stürzte es herbei und griff nach Cassys Arm. »Oh, Cassy, seid Ihr das? Ich bin so froh, daß Ihr da seid! Ach, Ihr wißt nicht, was es da unten für einen furchtbaren Lärm gegeben hat!«
    »Ich sollte es nicht wissen«, erwiderte Cassy trocken. »Ich habe es oft genug mitangehört.«
    »Oh, Cassy, sprecht, können wir nicht fort von hier? Mir ist es gleich wohin – in die Sümpfe unter die Schlangen –, irgendwohin? Könnten wir nicht fort?«
    »Nur in unser Grab«, sagte Cassy.
    »Habt Ihr es schon versucht?«
    »Ich habe genug Versuche erlebt und alles, was folgt«, erwiderte Cassy.
    »Ich wäre bereit, in den Sümpfen zu wohnen und die Rinde von den Bäumen zu nagen. Ich fürchte mich nicht vor Schlangen!«
    »Da sind schon viele andere deiner Ansicht gewesen, aber in den Sümpfen kannst du nicht bleiben – die Hunde würden dich aufspüren und zurückbringen und dann – dann…«
    »Ach, wäre ich nie geboren!« sagte Emmeline händeringend.
    »Das wünschte ich mir schon längst. An diesen Wunsch bin ich schon gewöhnt. Ich würde sterben, wenn ich es nur wagte«, sprach Cassy und blickte hinaus in die Dunkelheit mit jener starren, stillen Verzweiflung, die beständig über ihrem Gesicht lag.
    »Es wäre unrecht, wenn man sich selber tötete«, sagte Emmeline.
    »Ich weiß nicht warum; kein größeres Unrecht als die Dinge, die wir täglich tun. Aber die Schwestern erzählten mir manches im Kloster. Da hab ich Angst vor dem Sterben. Wenn es nur unser Ende bedeutet – ach, dann – «
    Emmeline kehrte sich ab und barg ihr Gesicht in den Händen.
    Während dieser Unterhaltung oben in der Kammer war Legree unten in Schlaf gesunken. Er trank nicht aus Gewohnheit. Seine rohe und starke Natur verlangte und vertrug einen Alkoholkonsum, an dem eine feinere Konstitution zugrunde gegangen wäre. Eine ihm tief innewohnende Vorsicht hinderte ihn jedoch, diesem Verlangen allzuoft nachzugeben, so daß er sich stets in der Gewalt behielt.
    Aber heute abend hatte er in seinem fieberhaften Bemühen, die bangen Elemente

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