Onkel Toms Hütte
nicht sein.«
»Doch, doch, so leid es mir tut. Ich habe eingewilligt, Tom zu verkaufen.«
»Was, unseren Tom? Den guten treuen Menschen? Der dir schon seit deiner Kindheit dient? O Shelby, du hattest ihm schon die Freiheit versprochen! Hundertmal schon haben wir mit ihm darüber gesprochen. Ach, jetzt könnte ich mir auch das andere vorstellen! Jetzt könnte ich beinahe glauben, daß du imstande wärst, auch den kleinen Harry, das einzige Kind der armen Eliza, zu verkaufen«, rief Mrs. Shelby halb schmerzbewegt, halb entrüstet.
»Damit du es nur weißt, du hast ganz recht. Ich habe eingewilligt, beide, Tom und Harry, zu verkaufen. Aber ich weiß nicht, warum du mich wie ein Ungeheuer betrachtest, ich tue nichts anderes, als was andere üblicherweise alle Tage zu tun pflegen.«
»Warum von allen Sklaven ausgerechnet diese beiden?« fragte Mrs. Shelby. »Wenn du durchaus verkaufen mußtest, warum dann diese?«
»Weil sie mir den höchsten Preis einbringen, nur darum. Freilich hätte ich auch andere nehmen können. Der Kerl machte ein hohes Angebot auf Eliza, wenn dir das angenehmer wäre«, sagte Mr. Shelby.
»Das Biest«, rief Mrs. Shelby heftig.
»Das kam gar nicht in Betracht, das hätte ich dir nie angetan, was du vielleicht zu meinen Gunsten buchen könntest.«
»Mein Lieber«, sagte Mrs. Shelby, sich aufraffend, »verzeihe mir. Ich bin voreilig gewesen. Ich war überrascht und völlig unvorbereitet. Du wirst verstehen, daß ich mich für diese armen Menschen ins Mittel lege. Tom ist eine edelmütige und treue Seele, so schwarz wie er aussieht. Ich bin der festen Ansicht, er würde, wenn es sein müßte, unbedenklich sein Leben für dich opfern.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber was nutzt das? Ich habe keine Wahl.«
»Warum könnten wir uns nicht – finanziell einschränken? Ich bin zu jedem Opfer bereit. O Shelby, ich habe mich immer bemüht, diesen armen, einfachen und abhängigen Geschöpfen eine gute Herrin zu sein. Ich habe sie geleitet und unterrichtet und versorgt; seit Jahren kenne ich jede ihrer kleinen Freuden und Kümmernisse. Wie kann ich je wieder den Kopf erheben, wenn wir um einen schnöden Gewinn einen so prachtvollen, treuen und zuverlässigen Burschen wie Tom verkaufen und ihn binnen eines Augenblicks von allem wegreißen, was wir ihn gelehrt haben, daß es ihm lieb und teuer sein muß? Ich habe ihm die Pflichten der Familie beigebracht, die Bande zwischen Eltern und Kindern, zwischen Mann und Weib niemals zu lösen. Wie kann ich dieses offene Zugeständnis ertragen, womit wir bekunden, daß wir, sobald Geld auf dem Spiele steht, keine Bindung, keine Pflichten, keine Verwandtschaft mehr achten, und sei sie noch so innig? Ich habe mit Eliza über ihren Knaben gesprochen, daß sie ihm als christliche Mutter schuldig ist, ihn zu hüten, ihn zu pflegen, ihn christlich zu erziehen. Was soll ich nun sagen, wenn du ihn von ihr reißest, ihn mit Leib und Seele verkaufst, an diesen gemeinen niedrigen Menschen, nur um ein wenig Geld zu sparen? Ich habe sie gelehrt, daß eine lebendige Seele mehr wert ist als alles Geld auf Erden, wie soll sie mir glauben, wenn wir ihr das Kind verkaufen? Einfach verkaufen, vielleicht zu seinem sicheren Verderben!«
»Es tut mir schrecklich leid, Emily, wirklich«, sagte Mr. Shelby. »Glaube mir, ich achte deine Gefühle, wenn ich mir auch nicht anmaße, daß ich sie selber hege. Aber ich erkläre dir feierlich, es hat alles keinen Zweck, es bleibt hier keine Wahl. Ich wollte es dir verheimlichen, Emily, aber grob gesagt: Entweder verkaufe ich diese beiden, oder ich muß alles verkaufen. Wenn ich diese beiden schone, muß ich das Ganze auflösen. Haley ist im Besitz einer Hypothek, wenn ich ihn jetzt nicht abfinde, belegt er alles mit Beschlag. Ich habe alles zusammengescharrt, geborgt und geliehen, beinahe wäre ich betteln gegangen, aber es bedurfte noch dieser zwei, um die nötige Summe zusammenzubringen, und so entschloß ich mich schweren Herzens. Haley war vernarrt in das Kind, er wollte den Handel nur mit ihm machen. Ich war in seiner Gewalt und konnte nur zustimmen. Wenn dir der Verkauf dieser beiden so arg ist, wäre dir der Verkauf des Ganzen denn lieber gewesen?«
Mrs. Shelby stand wie vom Schlag gerührt. Als sie sich endlich ihrem Toilettentisch zuwandte, vergrub sie aufstöhnend ihr Gesicht in beide Hände.
»Der Fluch Gottes liegt auf der Sklaverei! Was ist es für eine böse, böse, verdammenswürdige Sache! Ein Fluch für den Herrn wie für den
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