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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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dann um und verschwand in ihrem Zimmer. Es war ein ruhiger, heller Raum. An dem freundlichen sonnigen Fenster hatte sie oft sinnend mit einer Handarbeit gesessen. Daneben stand das kleine Bücherbrett, und überall lagen die verschiedenen Geräte, die ihr als Weihnachtsgeschenke lieb und teuer waren. Im Wandschrank und in den Schubladen befand sich ihre einfache Garderobe. Kurzum, hier lebte sie, hier war ihre Heimat, hier war sie glücklich gewesen. Aber dort auf dem Bett lag schlafend ihr Knabe, lange Locken fielen achtlos um das schlummernde Gesicht, der rosige Mund stand halb offen, die dicken kleinen Händchen lagen auf der Bettdecke, und ein Lächeln glitt wie ein Sonnenstrahl über sein Gesicht.
    »Armer Junge, armes Kerlchen«, sagte Eliza, »verkauft haben sie dich, aber Mutter wird dich retten.«
    Keine Träne fiel auf das Kopfkissen. Sie nahm Papier und Bleistift und schrieb in großer Hast:
    »O Herrin, liebe Herrin! Haltet mich nicht für undankbar. Denkt nicht böse von mir. Ich habe alles mitangehört, was Ihr und der gnädige Herr zusammen sprachet heute abend. Ich will versuchen, meinen Knaben zu retten. Ihr werdet mich verstehen. Gott segne Euch und lohne Euch alle Güte.«
    In fliegender Eile faltete und adressierte sie das Blatt, dann ging sie an ein Schubfach und schnürte ein kleines Bündel mit Kleidern für das Kind, das sie mit einem Taschentuch an ihren Gürtel knüpfte. Aber die Gedanken einer Mutter sind auch in der Stunde der Schrecken liebevoll und umsichtig; so vergaß sie nicht, ein oder zwei seiner liebsten Spielsachen in das Bündel zu stecken, und hob einen lustig angemalten Papagei auf, um ihn damit abzulenken, wenn sie ihn jetzt weckte. Sie hatte einige Mühe, den kleinen Schläfer wachzurütteln, aber nach einiger Anstrengung richtete er sich schließlich auf und begann mit dem Vogel zu spielen, während seine Mutter sich einen Schal umband und die Haube aufsetzte.
    »Wo gehst du hin, Mutter?« fragte er, als sie mit seinem Mäntelchen und seiner kleinen Mütze an sein Bett trat.
    Seine Mutter kam heran und blickte ihm so ernst in die Augen, daß er sofort erriet, daß etwas Ungewöhnliches geschehen sein mußte.
    »Pst, Harry«, sagte sie. »Du mußt leise sprechen, sonst hören sie uns. Ein böser Mann kam her und will den kleinen Harry holen, weg von Mutter, hinaus in die Dunkelheit. Aber Mutter paßt auf. Siehst du, wir setzen die Mütze auf und ziehen das Mäntelchen an, dann laufen wir rasch zusammen fort, da kann der böse Mann uns nicht fangen.«
    Bei diesen Worten hatte sie dem Kind den kleinen Anzug zugeknöpft, es auf den Arm genommen und ihm zugeflüstert, ganz still zu sein; dann öffnete sie die Tür zur Veranda und huschte geräuschlos hinaus.
    Es war eine sternenklare, kalte Nacht; den Schal fest um das vor Schreck völlig erstarrte Kind geschlungen, schritt sie leise aus.
    Da erhob sich knurrend der alte Bruno, ein großer Neufundländer, der am Ende der Veranda geschlafen und ihr Näherkommen gehört hatte. Sie rief leise seinen Namen, denn das Tier war ein alter Freund und Spielgefährte von ihr, er schlug sofort mit dem Schwanz und war bereit, ihr zu folgen, wenn er sich in seinem einfachen Hundeverstand auch wundern mochte, was dieser mitternächtliche Spaziergang bedeuten sollte.
    Eine unklare Vorstellung, daß es nicht ganz passend und außerdem recht unklug sei, schien ihn zu beunruhigen, denn er hielt öfters inne, während Eliza vorauseilte, und blickte nachdenklich erst auf sie und dann zurück auf das schlafende Haus. Als hätten seine Überlegungen ihn beruhigt, trottete er dann hinter ihr her. Nach wenigen Minuten hielten sie an dem Fenster von Onkel Toms Hütte, und Eliza klopfte leise an die Fensterscheibe.
    Die Andacht bei Onkel Tom hatte durch das Absingen der Choräle sich bis zur späten Stunde ausgedehnt. Da Onkel Tom sich hinterher noch in einigen langen Sologesängen ergangen hatte, waren sowohl er, obwohl die Zeiger schon zwischen 12 und 1 Uhr standen, wie seine würdige Eheliebste noch immer nicht im Bett.
    »Allmächtiger, was ist los?« Tante Chloe fuhr auf und nestelte eilig an den Vorhängen. »So wahr ich lebe, ist das nicht Lizzy? Rasch, zieh dich an, Alter, da ist ja auch der alte Bruno. Der Himmel bewahre mich. Ich will nur schnell die Türe öffnen.«
    Kaum gesagt flog die Türe schon auf und das Licht der Talgkerze, die Tom rasch entzündet hatte, fiel auf das hohläugige Gesicht und die dunklen wilden Augen des

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