Onkel Toms Hütte
rührende Einfalt und der kindliche Ernst seines Gebets waren nicht zu überbieten; dazu kam, daß er sich die Sprache der Heiligen Schrift unbewußt so zu eigen gemacht hatte, daß sie ihm frei und natürlich von den Lippen floß. Nach Aussage frommer alter Neger war sein Gebet wahrhaft ›erhebend‹ und wirkte so stark auf die Gemüter seiner Gemeinde, daß es zuweilen von den stürmischen Antwortgesängen ganz übertönt wurde.
Während dieser Szene in der Hütte seines Sklaven ging eine ganz andere im Hause des Herrn vor sich.
Dort saßen der Händler und Mr. Shelby in dem bereits erwähnten Eßzimmer zusammen an einem runden Tisch, der mit Papieren und Schreibgerät bedeckt war.
Mr. Shelby war dabei, ein Bündel Banknoten zu zählen, die er dem Händler zuschob, der sie gleichfalls zählte.
»In Ordnung«, sagte der Händler, »und nun noch die Unterschrift.«
Mr. Shelby griff hastig nach dem Kaufkontrakt und unterschrieb ihn wie ein Mann, der rasch ein lästiges Geschäft erledigt. Zusammen mit dem Gelde schob er ihn zurück. Haley brachte nun aus seiner abgeschabten Brieftasche ein Pergament zum Vorschein, das er einen Augenblick überprüfte und dann Mr. Shelby aushändigte, der mit heimlichem Eifer danach griff.
»Damit ist die Sache aus der Welt geschafft«, sagte der Händler und stand auf.
»Scheint mir, daß es Sie wenig freut«, bemerkte der Händler.
»Haley«, sagte Mr. Shelby, »ich hoffe sehr, Sie werden Ihr Versprechen nicht vergessen, daß Sie auf Ehre Tom nicht in unbekannte Verhältnisse verkaufen wollen.«
»Das haben Sie aber soeben getan«, erwiderte der Händler.
»Sie wissen sehr wohl, daß die Umstände mich gezwungen haben«, antwortete Shelby hochmütig.
»Das könnte auch bei mir der Fall sein«, sagte der Händler. »Jedenfalls werde ich mein Bestes tun, um Tom eine gute Stelle zu verschaffen. Wegen meiner Behandlung machen Sie sich keine Sorgen. Ich danke dem Himmel, daß Grausamkeit nicht zu meinen Fehlern gehört.«
Die früheren Ausführungen des Händlers über seine humanen Prinzipien waren nicht dazu angetan gewesen, Mr. Shelby besonders zu beruhigen, freilich waren sie in diesem Fall der einzige Trost; so entließ er den Händler stillschweigend und widmete sich nachdenklich einer Zigarre.
5. Kapitel
Zeigt die Gefühle der Menschenware beim Wechsel ihres Herrn
Herr und Frau Shelby hatten sich zur Nacht auf ihr Zimmer zurückgezogen. Er ruhte noch lässig in einem breiten Lehnstuhl und durchflog einige Briefe, die die Nachmittagspost gebracht hatte, während sie vor dem Spiegel ihr Haar ausbürstete, das Eliza so kunstvoll in Locken und Flechten gelegt hatte. Sie hatte das Mädchen wegen seines elenden Aussehens gleich zu Bett geschickt, nun fiel ihr die Unterhaltung vom Morgen ein und gleichmütig fragte sie ihren Mann:
»Übrigens, Arthur, wer war dieser gewöhnliche Mensch, den du heute mit zu Tisch brachtest?«
»Haley ist sein Name«, sagte Shelby, unruhig werdend, die Augen unverwandt auf seinen Briefen.
»Haley? Was ist er? Und was wollte er von dir?«
»Ach, ich hatte Geschäfte mit ihm, neulich, als ich in Natchez war.«
»Und das berechtigt ihn, sich hier häuslich niederzulassen und zum Essen zu bleiben?«
»O nein, ich lud ihn ein, wir hatten noch finanzielle Dinge zu erledigen«, sagte Shelby.
»Ist er wirklich ein Sklavenhändler?« fragte Frau Shelby, der im Gebaren ihres Mannes eine gewisse Verlegenheit auffiel.
»Wie kommst du darauf?« erwiderte Shelby aufblickend.
»Ach, ich weiß nicht – Eliza war ganz verstört heute nachmittag, sie behauptete, sie hätte dich mit einem Händler reden hören, der auf ihren Kleinen ein Angebot gemacht hätte – sie ist eine überspannte kleine Person.«
»Das hat sie gehört?« Shelby nahm seine Papiere wieder auf und schien ganz darin vertieft, ohne gewahr zu werden, daß er sie verkehrt herum hielt.
»Es muß heraus«, sprach er zu sich selbst, »je eher, desto besser.«
»Ich sagte Eliza«, fuhr Frau Shelby fort und bürstete ihr Haar, »daß es töricht wäre, sich solche unnötige Sorgen zu machen. Du hättest mit solchen Leuten nichts zu tun. Denn ich weiß ja, du wirst niemals einen von unseren Leuten verkaufen, geschweige denn an solch einen Kerl.«
»Ach, Emily«, erwiderte er, »das war auch immer meine Ansicht. Aber jetzt steht es so, daß ich mich doch dazu entschließen muß. Ich werde einige von unseren Leuten verkaufen müssen.«
»An dieses Scheusal? Shelby, das kann dein Ernst
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