Onkel Toms Hütte
sein, sie soll nicht bleiben. Sklaverei führt stets ins Elend. Sagt Ihr, sie möge unseren Sohn als freien Mann erziehen, damit er nicht so leidet wie wir. Ihr werdet ihr das ausrichten, nicht wahr, Mr. Wilson?«
»Ja, Georg, ich richte es aus. Aber ich bin überzeugt, du wirst nicht sterben. Faß Mut, du bist ein tapferer Mensch. Vertraue auf Gott. Ich wünschte, du hättest es schon geschafft, obgleich – ich wünschte es aufrichtig.«
»Gibt es einen Gott, dem man vertrauen kann?« fragte Georg im Tone so bitterer Verzweiflung, daß der alte Mann aufhorchte. »Oh, ich habe mein Leben lang Dinge gesehen, die mich an einem Gott verzweifeln ließen. Ihr Christen wißt nicht, wie uns die Dinge erscheinen. Für euch gibt es einen Gott, gibt es auch einen für uns?«
»O Georg, so darfst du nicht sprechen, nicht doch, nicht doch«, beschwor ihn der alte Herr fast schluchzend. »Natürlich gibt es einen Gott. Wolken und Finsternis umgeben ihn, aber Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit sind seine Wohnungen. Es gibt einen Gott, Georg, glaube an ihn. Vertraue auf ihn, und er wird's wohlmachen. Alles wird gut enden, wenn nicht in diesem, dann im ewigen Leben.«
Die echte Frömmigkeit und Güte des alten Mannes verliehen seinen Worten Würde und Gewicht, Georg unterbrach seine Wanderung im Zimmer und blieb gedankenvoll stehen, dann sprach er ruhig:
»Ich danke Euch für diese Worte, guter Freund, ich werde sie bewahren.«
12. Kapitel
Ein ausgewähltes Beispiel aus dem erlaubten Handel
Mr. Haley und Tom zuckelten in ihrem Wagen dahin, beide eine Zeitlang ihren eigenen Gedanken nachhängend.
Haley dachte vor allem an Toms Länge und Breite und Höhe, welchen Preis er wohl erzielen würde, wenn er ihn fett und in gutem Zustand auf den Markt brächte. Er dachte weiter an den Transport, den er zusammenstellen wollte, an den jeweiligen Wert all der Männer, Frauen und Kinder, die ihn bilden sollten, und an ähnliche geschäftliche Dinge. Dann dachte er an sich selber und wie human es war, daß, während andere Händler ihre Nigger an Hand und Fuß fesselten, er Tom nur Fußschellen angelegt und ihm den Gebrauch seiner Hände gelassen hatte, solange er sich gut benahm, und Mr. Haley seufzte bei dem Gedanken, wie undankbar doch die Menschen waren, daß er nicht einmal sicher sein konnte, ob Tom auch seine Wohltat zu würdigen wisse. Er hatte schon manchen Nigger begünstigt, und immer hatten sie ihn betrogen, es blieb ein wahres Wunder, daß er immer noch so gutmütig war.
Was Tom anging, so kreisten seine Gedanken immer wieder um die Worte eines alten Buches, welche lauteten: »Denn wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die zukünftige suchen wir. Darum schämt sich Gott nicht, zu heißen unser Gott, denn er hat uns eine Stätte zubereitet.« Diese Worte aus dem alten Buch, von unwissenden und einfachen Männern geschrieben, haben zu allen Zeiten auf die Gemüter armer, einfacher Menschen so wie Tom eine seltsame Macht ausgeübt. Sie rühren die Seele in ihrer Tiefe auf und erwecken wie mit Trompetenklang Mut und Begeisterung, wo vorher nichts war als nackte Verzweiflung.
Mr. Haley zog aus seiner Tasche einige zerknüllte Zeitungen hervor und vertiefte sich in die Anzeigen. Da er das Lesen nicht gerade fließend beherrschte, war es seine Gewohnheit, jeden Text halblaut vor sich hin zu murmeln, damit seine Ohren ihm bestätigten, was seine Augen lasen. So las er langsam folgenden Wortlaut:
»Nachlaßversteigerung – Negersklaven – Auf gerichtlichen Befehl werden Dienstag, am 20. Februar, vor dem Gerichtsgebäude in Washington – Kentucky, folgende Neger verkauft: Hagar, 60 Jahre; John, 30 Jahre; Ben, 21 Jahre; Saul, 25 Jahre; Albert, 14 Jahre. Verkauft im Interesse der Gläubiger und Erben des Gutes von Jesse Blutchford, Esq.
Samuel Morris, Thomas Flint,
Testamentsvollstrecker.«
»Die muß ich mir ansehen«, sagte er zu Tom, aus Mangel an anderen Gesprächspartnern. »Weißt du, ich werde einen erstklassigen Transport zusammenstellen, den nehmen wir mit nach Süden. Dann hast du Gesellschaft, das macht die Sache angenehmer und unterhaltender für dich. Wir fahren stracks nach Washington, da steck' ich dich solange ins Gefängnis, während ich meine Geschäfte erledige.«
Tom nahm diese erfreuliche Nachricht in Demut auf. Er fragte sich nur in seinem schlichten Herzen, wie viele dieser unglücklichen Männer auch Frauen und Kinder hätten
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