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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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und vorsichtiger alter Herr, ging unruhig im Zimmer auf und ab und fühlte sich hin und her gerissen, einerseits Georg zu helfen, andererseits Ordnung und Gesetz aufrechtzuerhalten. Seinem verwirrten Herzen machte er mit den Worten Luft: »Also Georg, du bist ausgerissen – verlierst deinen gesetzmäßigen Herrn – kein Wunder – und doch tut es mir leid, Georg, ja entschieden, ich muß dir sagen, Georg, ich halte es für meine Pflicht.«
    »Warum tut es Euch leid?« sagte Georg ruhig.
    »Nun, weil du dich sozusagen gegen die Gesetze deines Landes auflehnst.«
    »Meines Landes!« sagte Georg mit starker und bitterer Betonung. »Welches Land habe ich außer dem Grabe? Und ich wünschte bei Gott, ich läge dort!«
    »O Georg, du bist in einer schrecklichen Gemütsverfassung. Das ist ja die reine Verzweiflung. Es geht mir wirklich nahe. Einfach die Gesetze deines Landes zu brechen!«
    »Ihr habt ein Vaterland, aber welches habe ich und meinesgleichen, die wir von Sklavenmüttern geboren sind? Welche Gesetze gelten für uns? Wir erlassen sie nicht, wir stimmen nicht zu – wir haben nichts mit ihnen zu tun, und sie zermalmen uns nur und halten uns unten. Habe ich nicht Eure Reden gehört zum 4. Juli? Sagtet Ihr uns nicht einmal im Jahr, daß die Regierung ihre Macht von der Zustimmung des Volkes hat? Kann einer wie ich sich nicht einen Vers darauf machen, wenn er das hört? Kann er nicht zwei und zwei zusammensetzen und sagen, was daraus entsteht?«
    Mr. Wilson hatte ein Gemüt, das man gar wohl mit einem Ballen Baumwolle vergleichen konnte. Es war luftig, weich, verheddert und versponnen. Er bedauerte Georg ganz aufrichtig und hatte auch eine verschwommene Vorstellung von den Gefühlen, die ihn bewegten. Aber er hielt es für seine Pflicht, ihm mit unermüdlicher Hartnäckigkeit gut zuzureden.
    »Georg, dies ist schlimm. Ich muß es dir als Freund sagen, du weißt ja, daß du dich besser von solchen Gedanken fernhältst, sie sind gefährlich, Georg, für Männer in deiner Lage viel zu gefährlich«, und Mr. Wilson setzte sich am Tisch nieder und begann nervös an dem Griff seines Regenschirms zu nagen.
    »Hört doch einmal, Mr. Wilson«, sagte Georg herzutretend und sich entschlossen dem alten Herrn gegenübersetzend. »Seht mich einmal an. Sitze ich nicht vor Euch, in jeder Beziehung ein Mann wie Ihr selber? Seht mein Gesicht – meine Hände – meinen Körper« – und der junge Mann richtete sich stolz in die Höhe. »Warum bin ich nicht ein Mann so gut wie jeder andere? Also, Mr. Wilson, jetzt hört mich an. Mein Vater war einer von den Herren in Kentucky, der sich nicht genug um mich gekümmert hatte, um mir das Los seiner Hunde und Pferde zu ersparen, die bei seinem Tode verkauft wurden, um die Schulden des Gutes zu decken. Ich sah, wie man meine Mutter auf der Versteigerung mit ihren lieben Kindern ausstellte. Vor ihren Augen wurden sie verkauft, eins nach dem anderen, jedes an einen anderen Herrn; und ich war das jüngste. Sie kam und ging in die Knie vor meinem ersten Herrn und flehte, er möge sie auch kaufen, damit sie wenigstens ein Kind behalten könnte. Er aber trat nach ihr mit seinem Stiefel. Ich sah es mit an, und das letzte, was ich von ihr hörte, war ihr Klagen und Schreien, als ich an den Hals des Pferdes gebunden wurde, das mich wegtrug auf das Gut.«
    »Und dann?«
    »Mein Herr verhandelte noch mit einem der Leute und kaufte auch meine älteste Schwester. Sie war ein frommes, gutes Mädchen, gehörte zur Baptistensekte – und war so schön wie meine arme Mutter. Sie hatte eine gute Erziehung genossen und hatte feine Manieren. Zunächst war ich sehr froh über ihren Kauf, daß ich einen Freund in der Nähe hatte, aber bald sollte ich es beklagen. Ach, ich habe an der Tür gestanden und gehört, wie man sie auspeitschte, und jeder Schlag zielte auf mein bloßes Herz, aber ich konnte nichts tun, um sie zu schützen. Man schlug sie für ihren christlichen Lebenswandel, den Eure Gesetze keinem Sklavenmädchen erlauben, und schließlich sah ich sie in Ketten in einem Sklavenschuh stehen, mit dem zusammen sie auf dem Markt in Orleans verkauft wurde, einzig aus diesem Grunde. Seitdem habe ich nie wieder etwas von ihr gehört. Ich selber wuchs heran – lange, lange Jahre ohne Vater, ohne Mutter, ohne Schwester, ohne eine einzige lebendige Seele, die sich mehr um mich kümmerte als um einen Hund, nichts als Schläge, Schimpfen und Hungern wurde mir zuteil. Ach, Mr. Wilson, so hungrig bin ich gewesen,

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