Onkel Toms Hütte
mir, steh ich zu euch.«
So angeredet, erwiderten die Leute ihr unvermeidliches »Ja, Herr«, das seit Jahrhunderten das Losungswort des armen Afrika ist. Aber es ließ sich nicht verhehlen, keiner von ihnen sah heiter aus. Sie grämten sich um ihre Frauen, Mütter, Schwestern und Kinder, die sie zum letztenmal gesehen hatten. So schnell ließ sich da keine Heiterkeit kommandieren.
»Ich habe ein Weib«, sprach einer mit Namen John und legte seine gefesselte Hand auf Toms Knie, »und sie weiß noch gar nichts, das arme Mädchen!«
»Wo wohnt sie denn?« fragte Tom.
»In einem Gasthaus, ein Stück flußab«, antwortete John. »Ich wollte, ich könnte sie noch einmal sehen auf dieser Welt«, setzte er hinzu.
Armer John! Die Tränen, die er beim Sprechen vergoß, flossen ihm so natürlich die Wangen herab wie einem weißen Mann. Tom seufzte aus beklommenem Herzen und versuchte, so gut er konnte, zu trösten.
Und über ihnen, in Kabinen, da saßen Eltern, Männer und Frauen. Um sie sprangen fröhliche Kinder. Dort gab es keine Sorgen und keinen Kummer.
»O Mammi«, sagte ein Junge, der gerade von unten heraufkam, »da ist ein Negerhändler an Bord, er hat dort unten vier oder fünf Sklaven.«
»Arme Menschen«, erwiderte die Mutter halb entrüstet, halb bekümmert.
»Was gibt's denn?« fragte eine andere Dame.
»Unten sind ein paar arme Sklaven«, antwortete die Mutter.
»Und sie liegen in Ketten«, sagte der Junge.
»Welche Schande für das ganze Land, so etwas mitanzusehen«, meinte die andere Dame.
»Oh, die Sache hat durchaus ihre zwei Seiten«, sagte eine vornehme Dame, die vor der Tür ihrer Kabine saß und handarbeitete, während ihre zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, neben ihr spielten. »Ich komme aus dem Süden und muß sagen, die Neger haben es da besser, als wenn sie frei wären.«
»In mancher Hinsicht geht es gewiß einigen ganz gut«, sagte die Dame, der die Antwort gegolten hatte. »Das Schrecklichste an der Sklaverei ist meiner Ansicht die Art, wie man auf den Neigungen und Gefühlen der Armen herumtrampelt, wie man die Familien zum Beispiel auseinanderreißt.«
»Das ist zweifellos nicht richtig«, stimmte die erste Dame eifrig zu, sie hielt ein Babyröckchen in die Höhe, das sie gerade fertiggestellt hatte, und musterte die Stickerei. »Aber ich bin sicher, das kommt nur selten vor.«
»Weit gefehlt«, sagte die erste Dame nachdrücklich. »Ich habe viele Jahre sowohl in Kentucky wie in Virginia gelebt, was ich gesehen habe, kann einem das Herz umdrehen. Stellen Sie sich vor, Madam, man nähme Ihre lieben Kinder dort und verkaufte sie?«
»Wir können Leute dieser Klasse nicht nach unseren Gefühlen beurteilen«, sagte die andere Dame und sortierte die Seidenfäden auf ihrem Schoß.
»Wahrhaftig, Madam, wenn Sie so sprechen können, haben Sie keine Ahnung von den Negern«, antwortete die erste Dame mit großer Wärme. »Ich bin unter Negern geboren und erzogen worden. Ich weiß, sie fühlen so heiß wie wir, vielleicht noch heißer – «
Die Dame sagte: »Tatsächlich?«, gähnte und blickte zum Kabinenfenster hinaus, um abschließend ihre anfängliche Bemerkung zu wiederholen: »Letzten Endes geht es ihnen besser, als wenn sie frei wären.«
»Zweifellos ist es der Wille der Vorsehung, die afrikanische Rasse in Knechtschaft und Niedrigkeit verharren zu lassen«, sagte ein feierlich aussehender Herr in Schwarz, ein Geistlicher, der neben der Kabinentür saß. »Verflucht sei Kanaan und sei ein Knecht aller Knechte, sagt die Heilige Schrift.«
»Legt man den Text wirklich so aus?« fragte ein langer Mann, der daneben stand.
»Zweifellos. Aus unerklärlichem Grunde hat es der Vorsehung gefallen, diese Rasse vor Jahrhunderten in Bande zu schlagen, daran dürfen wir nicht rütteln.«
»Na, dann können wir ja alle darangehen und lustig Neger kaufen, wenn die Vorsehung es so haben will – nicht wahr, Meister?« sagte der lange Mann zu Haley gewandt, der mit den Händen in den Taschen neben dem Ofen gestanden hatte und der Unterhaltung aufmerksam gefolgt war.
»Ja«, fuhr er fort, »wir müssen uns alle dem Willen der Vorsehung fügen. Nigger müssen halt verkauft, vertauscht und unterdrückt werden, dazu sind sie da. So verstanden sind das schöne Ansichten, nicht wahr, Herr?« sagte er wiederum zu Haley.
»Da kenne ich mich nicht aus«, antwortete Haley. »Ich kann das selbst nicht behaupten, da bin ich zu ungebildet. Ich trat in den Sklavenhandel ein, um mir meinen
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