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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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zu sein«, sagte Miß Ophelia. »Ich habe nie ein so fügsames Kind gesehen.«
    »Eva ist merkwürdig«, sagte ihre Mutter, »sehr merkwürdig. In manchen Dingen ist sie einfach seltsam. Sie ist mir ja nicht die Spur ähnlich«, und Marie seufzte, als sei dies eine tragische Feststellung.
    Miß Ophelia dachte im stillen: »Welch ein Glück!« Aber sie war klug genug, das nicht zu äußern.
    »Eva hat immer einen Hang zu den Dienstboten gehabt; manchen Kindern macht das nichts. Ich habe immer mit Vaters kleinen Negern gespielt, und es hat mir nie geschadet. Aber Eva steht mit jedem Geschöpf, das in ihre Nähe kommt, irgendwie auf gleichem Fuße. Es ist merkwürdig mit dem Kind. Ich habe ihr das nie austreiben können. Ich glaube, St. Clare bestätigt sie darin. Tatsächlich übt St. Clare mit jedem Wesen unter seinem Dach die größte Nachsicht, nur seine Frau ist ausgenommen.«
    Wieder saß Miß Ophelia in starrem Schweigen.
    »Bei Dienstboten empfiehlt sich nur eins«, fuhr Marie fort, »man muß sie nach unten drücken und unten halten. Das ist mir seit meiner Kindheit geläufig. Eva ist imstande und verdirbt mir das ganze Haus. Ich weiß nicht, was werden soll, wenn sie einmal selber einen Haushalt leitet. Ich bin auch für Freundlichkeit Dienstboten gegenüber – dafür war ich immer, aber sie müssen wissen, wo sie hingehören. Das kann ich Eva nicht beibringen. Sie begreift es einfach nicht. Sie haben ja gehört, wie sie sich erbot, nachts bei mir zu wachen, damit Mammy schlafen sollte! Das ist nur ein Beispiel, wie das Kind handeln würde, wenn man nicht aufpaßte.«
    »Nun«, sagte Miß Ophelia geradeheraus, »auch Sie halten wahrscheinlich Dienstboten für lebendige Menschen, die der Ruhe bedürfen, wenn sie müde sind?«
    »Aber natürlich. Ich habe immer darauf gesehen, daß sie alles bekommen, was keine Umstände macht – alles, was uns nicht in der Ordnung stört, verstehen Sie. Mammy kann ihren Schlaf bei Gelegenheit gut nachholen, das hält nicht schwer. Sie hat ja die reine Schlafsucht. Im Stehen, im Sitzen, beim Nähen, andauernd schläft die Person. Keine Angst, Mammy bekommt genug Schlaf. Aber Dienstboten zu behandeln, als seien sie kostbare Blumen oder Porzellanvasen, das ist einfach lächerlich«, sprach Marie, während sie sich nachlässig in die tiefen Kissen ihres üppigen und umfangreichen Diwans gleiten ließ und ein elegant geschnittenes Riechfläschchen heranzog.
    »Verstehen Sie mich recht«, hauchte sie mit einer Stimme, die so zart war wie der vergehende Hauch des arabischen Jasmin. »Sie verstehen, Kusine Ophelia, daß ich häufig von mir selber spreche. Es ist nicht meine Gewohnheit, es liegt mir nicht. Tatsächlich fehlt mir die Kraft dazu. Aber es gibt Dinge, wo ich mit St. Clare nicht übereinstimme. St. Clare hat mich nie verstanden, nie meinen wahren Wert erkannt. Ich glaube, daran kranke ich im Grunde. St. Clare meint es gut, das muß ich ihm zu Ehren annehmen; aber Männer sind nun einmal eigennützig und rücksichtslos den Frauen gegenüber. Wenigstens ist das mein Eindruck.«
    Miß Ophelia war auf der Hut, das war ein gutes neu-englisches Erbteil, und sie verabscheute es, in Familienstreitigkeiten eingeweiht zu werden. Ihr schwante nichts Gutes. Daher legte sie ihr Gesicht in grimmige Falten der Neutralität und zog einen ellenlangen Strumpf aus der Tasche, den sie als Abwehrmittel immer bei sich führte, denn Dr. Watts hatte sie gelehrt, daß Satan stets nach müßigen Händen auf der Lauer liegt; so begann sie energisch zu stricken; ihre Lippen waren fest geschlossen, als ob sie deutlich zu erkennen geben wollte: »Mich bringst du nicht zum Reden. Ich will mit deinen Geschichten nichts zu tun haben.« Tatsächlich, sie sah so teilnehmend aus wie ein steinerner Löwe. Aber darum kümmerte sich Marie nicht. Endlich hatte sie jemand, mit dem sie reden konnte, da hielt sie es für ihre Pflicht zu reden. Kaum hatte sie sich an ihrem Riechfläschchen erquickt, hub sie aufs neue an.
    »Sehen Sie, ich brachte mein Vermögen und meine Dienerschaft mit in die Ehe, als ich St. Clare heiratete, und bin gesetzlich befugt, ganz nach Gutdünken damit zu verfahren. St. Clare hat natürlich auch sein Vermögen und seine Dienerschaft, und mir ist es völlig recht, wie er damit umgeht, er aber erlaubt sich Übergriffe. Er hat wilde, ausschweifende Vorstellungen besonders über die Behandlung der Dienstboten. Er handelt wahrhaftig so, als ob ihm seine Leute wichtiger seien als ich oder auch

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