Op Oloop
daß die gegenwärtigen Quellen des Lebens dabei sind, zu versiegen. Und daß, wenn wir wieder zu dem, was wir ursprünglich waren, geworden sind – nämlich zu reinem Sein –, dies den Genuß des göttlichen Privilegs beinhalten wird, in uns selbst geboren zu werden, in uns selbst zu sterben und in uns selbst unsere eigene Nachkommenschaft zu haben.«
Diese Replik sorgte für allgemeine Bestürzung.
Op Oloop murmelte lediglich: »Gastón, es ist entsetzlich, die Zukunft zu kennen!«
Doch Erik Joensun schaffte es nicht, sich zurückzuhalten: »Dann wird man also nicht mehr masturbieren müssen, ha, ha …
Dann wird man sich also selbst schwängern können und gebären, ha,ha …«
»So ist es.«
»Und Sie vertreten das: ein Zuhälter!«
»So ist es.«
»Demnach erwartet Ihren Beruf ja eine schöne Zukunft!«
Das Gesicht von Gastón Marietti drückte Mitleid aus.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Solange die Liebe von der geltenden Moral als Tabu erachtet wird, solange diese die Triebe – die schon aufwachen und versuchen, sich selbst zu versorgen – unerreichbar begräbt, werden wir, die Mädchenhändler, noch eine messianische Rolle haben …«
»Sie, ein Messias! Ha, ha …«
»Jawohl, Kapitän, ein Messias. In jeder Hure steckt eine enttäuschte Frau. Sie verkauft sich als Reaktion auf die Enttäuschung einer fehlgeschlagenen reinen Liebe. Wir Zuhälter handeln immer auf der Basis der Ernüchterung von enttäuschten Frauen. Und sie lieben uns. Sie lieben uns magdalenenhaft. Jesus war auf gewisse Weise ein Vorreiter …«
Schwerelos, burlesk genoß der Gastgeber den Groll seines Landsmannes. Um ihn noch mehr anzustacheln, fügte er hinzu: »Jawohl, Erik. Jesus war ein Vorreiter von Gastón. Jawohl, von Gastón, diesem doppelzüngigen Korsen, der neben ›Henri-la-musique‹ und ›Coco-le-coiffeur‹ in der La Cannebière erzogen wurde … Magdalenenhaft traten ihm Tausende von enttäuschten Frauen in den Weg, und um sie zu erlösen, verschiffte er sie nach Kairo, Bangkok, Dschibuti oder Batavia. Seine Apostel: Anwerber, Schieber, Kuppler, erledigten das übrige: den Schmerz der Frauen in ihrer wollüstigen und lukrativen Resignation auszunutzen. So wie du ihn da siehst, von der Hand des Schicksals geleitet, entdeckte Gastón die ›Meile von Buenos Aires‹. Begreifst du das? Es ist ein internationaler Siegeszug. Im Gegensatz zu unseren Vorfahren, den Wikingern, die mit ihrem Puritanismus etwas Zotiges mitbrachten, brachte er der Pampa – weites Brachland aus Wichserei und Durst – die weibliche Zierde Frankreichs. Magdalenen aus Dunkerque, mit wasserfarbenen Augen, für die Spröde der Provinz San Luis; Magdalenen aus Lourdes, knackig und süß, für die windige Einöde Patagoniens; Magdalenen aus Lille, schlank und rüstig, für das abgerissene Flachland von La Rioja .., Etcetera. Und für den stehengebliebenen Motor von Buenos Aires den sinnlichen Magneten von Paris. So genossen und genießen dank seines Einsatzes Tausende Orte die Nähe der Frau, nach der sie sich voller Sehnsucht verzehren, weil sie den Gegensatz zu ihnen verkörpert. Und die linkischsten Leute können die Wirklichkeit ihres Traumes berühren und sich an einer auf andere Weise fast unerreichbaren Glückseligkeit laben. Ich bringe ihm hiermit meine Huldigung dar. Die tariflich geregelte Liebe, die mir dieser große Bankier des Geschlechtsverkehrs zugänglich gemacht hat, ist mir Göttertrank für tausend bittere Stunden gewesen. Stoßen wir auf Gastón an, den edlen Wohltäter des Landes.«
Der Toast wurde geteilt aufgenommen.
»Es scheint mir nicht plausibel«, führte der Luftfahrtkommissar aus, »ein Motiv dieser Art zu feiern. Die Prostitution ist das Verderbnis …«
»Und Madame Noélie Maynard? Hick. Und ihr Haus für massage-curiosités? Hick. Und unsere Orgien mit confort moderne? Hick. Hi…pokrit.«
»… die Prostitution ist das Verderbnis der Liebe. Wenn es sie nicht gäbe, würde unsere Jugend nicht zu siebzig Prozent in den medizinischen Untersuchungen als untauglich für den Militärdienst erklärt werden.«
»Wunderbar! Selbst darin ist sie von Vorteil! Die Prostitution hält den Krieg auf Distanz, indem sie die Truppenstärke des Heeres schmälert. Niemals ist eine Nation friedlicher, als wenn sie schwach ist!«
»Deine Worte ekeln mich an, Op Oloop. Ein krankes Volk einem arroganten Volk vorzuziehen!«
»Jawohl. Natürlich mache ich das. Die Krankheit läßt sich besser aushalten. Sie zieht
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