Op Oloop
eine mortuoriae laudatione auf den guten Op Oloop zu singen, zerschlagen von der Liebe. Wenn es irgend etwas gibt, das kein Mitleid verdient, dann ist es eben diese Begebenheit. Und wir wissen bereits, wie man mit dem Plektrum der Pietät in unhörbaren Kadenzen die dichterische Begeisterung verletzt … Es gibt handfeste Argumente, die den Selbstmord zu Ehren bringen. Der Schmerz und die Krankheit zum Beispiel, die laut Lukrez furchterregende Helfershelfer des Todes sind. Doch die Liebe, nein. Sie ist weder Schmerz noch Krankheit. An ihr leiden weder das Bewußtsein noch der Körper … Die Liebe ist Kunst. Sie zittert mit der Gefühlsregung. Und brennt mit heftigem und blindem Geist im leidenschaftlichen Feuer, fern der gelassenen Wesensart der Seele … Mit wuchtiger und göttlicher Freiheit schwingt sich die Liebe über dem Fleisch des Instinkts auf und bildet mit ihm eine geläuterte Dualität. Sie argumentiert nicht: sie brüllt ihren einzigen Beweggrund mit der unaufhaltbaren Raserei des Geschlechtstriebs heraus. Und so lebt sie, indem sie ihren Hunger, der das Verlangen ist, ohne eine andere Stimulanz als die innige Befriedigung ihres Egoismus stillt … Die Liebe ist Kunst. Die Empfindsamkeit – eine Sylphide – muß man mit dem gegürteten Gewand eines spirituellen Kanons kleiden. Daher muß der, der liebt, wie ein Ästhet seine Impulse zähmen und seine intime Rebellion an die süße und schwierige Wirklichkeit der Gemeinschaft anpassen … Um zu lieben, braucht man also Stil. Die Geschicklichkeit des Liebenden liegt darin, die Seele des Instinkts zu erhaschen, wie die des Malers darin besteht, in die Seele der Landschaft einzudringen. Reine Lyrik! So werden die Mysterien der Leidenschaft enthüllt werden. Und die Liebe wird wie ein herrliches Meisterwerk in den Herzen erglänzen … Freunde, laßt uns die Liebe Op Oloops beklagen, weil sie gescheitert ist. Seine Tragödie kommt von der Zahl. Daher, keinen Stil und zuviel Methode zu haben. Sein esprit de géométrie hat die tiefgründigen Rundungen quadriert. Die sentimentalen Wesenheiten, die das innere Leben bevölkern, können nicht geordnet, koordiniert, vereinheitlicht, automatisiert werden … Wir haben den Knall seiner Seele gehört. Wieviel zerfetzte Vollkommenheit! … Doch belasten wir seine Trümmer nicht mit der Last einer unnötigen Begnadigung. Er trug die Schuld. Oder vielleicht sein Fatalismus. Barrès hat es bereits gesagt: »Das Leben der empfindsamen Wesen ist prächtig und traurig«.
Die noch vor einigen Minuten vorherrschende barsche Stimmung hatte sich gelegt.
Ein unsägliches Gefühl der Banalität verschaffte einer allgemeinen Bereitwilligkeit den Raum, um weiterzuplaudern.
Op Oloop, halbversunken in Traumwellen, hatte zugehört, ohne sich ein Wort entgehen zu lassen. Er hätte einfallsreich antworten können. Doch eingebettet in die Behaglichkeit der freundschaftlichen Sätze, ruhte er in ihnen wie ein sinnlicher und willenloser Pascha in Flauschkissen aus Liebkosungen und Parfüms.
Die Kellner füllten die Gläser.
Während man trank, erklang ein Glockenschlag.
01:30
»Schon ein Uhr!«
»Nein. Halb zwei.«
»Verdammt, ich müßte …«
»Sie, Ivar, bewegen sich nicht von hier weg. Das hier ist kein Rotarier-Essen mit Plunder aus Zahnrädern, ›US‹-Hymnen und Aktionsgehämmere. Hier gibt es keine Taxameter. Weder greift irgendeine Bruderschaftsparodie, noch wird das Ideal des Dienstes mit sauberem Hammerschlag normiert. Der Wert dieses Dinners liegt in seiner substanzreichen Konversation und seiner pluralistischen Freundschaft. Bleiben Sie.«
»Gewiß, doch ich muß morgen früh um sieben im Studio sein. Ich mache die Tonaufnahmen für den Lunfardo-Streifen, den die Fonofilm gerade dreht. Eine wahrhafte Marter! Die hiesigen Schauspieler sind ebenso wie die Spanier Stümper. Aufmachung, nicht Eleganz. Arroganz, nicht Können. Nun gut, Sie werden es selbst schon gesehen haben … In den Liebesszenen sind sie übrigens unschlagbar kitschig. Sie bringen einen zum Platzen vor Lachen. Die Dämchen, komplett ›marlenisiert‹, sprechen nicht, sie quengeln. Die Galane scheinen Schüler von Pina Menichelli oder der Bertini zu sein … Sie machen Fischaugen und sagen ihren Text mit schmieriger Stimme auf, abstoßend. Offen gefragt: Was zum Teufel bedeutet die Liebe in diesem Land?«
»Liturgie.«
»Schweiner … hick.«
»Tabu.«
»Geschäft …«
»Romantizismus.«
»Scheiße!«
»Die Liebe ist der große
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