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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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nahm das Glas nicht. Machte nicht die geringste Bewegung.
    Ein derartiger Mangel an Antrieb reizte Madame Blondel. Gehässig wiederholte sie: »Na los, trinken Sie. Vergessen Sie Ihre Angelegenheiten. Die Schwedin wird gleich kommen …«
    Es war eine anfallartige Veränderung. Als ob eine Statue sich in weitausholenden Gestikulationen belebte, löste der Statistiker die klassische Haltung seiner Vorfahren auf. Nicht einmal er selbst wußte, welch dramatischer Wirbelwind ihn geißelte. Er stand auf. Schüttelte sich. War Opfer heftiger Anfälle, bis er sich erneut setzte. Dann griff er nach dem Glas. Und während er mit starrem Blick durch den Whisky stierte, wie man in eine Zauberkugel hineinschaut, brachen dieselben Worte aus ihm heraus, diesmal mit gepreßter Stimme, als trage er eine verwerfliche Zusammenfassung vor: »Die Schwedin!«
    Er schwitzte.
    Der Haß ließ ihn dunkle Verwünschungen hervorstoßen.
    In diesem Moment überdeckte ein frohlockender Jubelschrei seinen Ausspruch.
    »Sehen Sie! Dort haben Sie ja die Schwedin!«
    Die Benommenheit ließ ihn erzittern.
    Madame Blondel nahm ihm das Glas ab; eher um zu verhindern, daß er den Inhalt auf den Teppich verschüttete, als aus der Fürsorglichkeit, ihm beim Aufstehen zu helfen.
    Op Oloop war nun bewegungslos, den Unterkiefer heruntergeklappt, das Gesicht zu einer Holzmaske erstarrt.
    Während er ohne ein Blinzeln die junge Frau herannahen sah, stocherte er in Gedanken hartnäckig in seinem Gedächtnis. Etwas klang in seinem Inneren an. Dann, mit einem Wimpernschlag, erfaßte er sie in Großaufnahme wie mit einer Blitzlichtkamera. Ihr Abbild wich von dem ab, das er ersonnen hatte; doch war es einem anderen ähnlich oder vergleichbar, das er in den unergründlichen Galerien seiner Erinnerung aufbewahrte. Fiebernd, wie ein Schnüffler im entscheidenden Moment der Identifizierung, durchstöberte er sie. Und auf einmal erhitzte er sich: »Wie bitte! Ist es denn möglich!«
    Er hatte gerade die bekannten Gesichtszüge beobachtet, den vertrauten Anschein, die gleiche Manier einer anderen ihm teuren Frau. Dann ließ das frisch geweckte Interesse seinen Blick klar werden. Mehr noch: er wurde scharf und pervers. Und während die Schwedin die Patronin um Wechselgeld für fünfzig Pesos bat, verwandelte sich das Erstaunen des Statistikers in Analyse. In schamlose und unerbittliche Analyse.
    Seine Verdächtigungen waren wohl zahlreich, verstärkten sie sich doch bis zur Dreistigkeit.
    »Du bist keine Schwedin«, warf er ihr in jener Sprache an den Kopf.
    Der Schreck des Mädchens ließ ihre der Poesie beraubte Figur zusammenfallen, kraftlos und schlaff.
    »Du bist keine Schwedin«, unterstrich er mit gewaltsamem Nachdruck. »Warum lügst du? Wie heißt du?«
    Den Kopf mißmutig neigend, sah das Mädchen ihn ohne ein Wort zu sagen an. Sie litt unter diesem Ansturm der Wahrheit und schwieg. Viele Male hatte sie den Glanz der Wahrheit überwunden, indem sie ihn mit der Asche eines undurchlässigen Schweigens bedeckte. Und sie schwieg und schwieg. Nahm die Geldscheine, die Madame Blondel ihr hinhielt, und ging.
    Op Oloop versuchte sie von hinten zurückzuhalten und heftete seinen Blick an ihren Körper. Er nahm so die Beschaffenheit ihres Ganges auf, die lustlose Anmut ihres schlanken Leibes, die Wellenbewegung ihrer Hüfte. Es waren viele übereinstimmende Eigenarten. Er drehte sich zur Patronin um und fragte: »Wie heißt sie?«
    »Kustaa.«
    »Kustaa? Habe ich es Ihnen nicht gesagt … Sie ist keine Schwedin! Sie ist eine Landsmännin, sie ist Finnin.«
    Die Freude über seinen Treffer verflüchtigte sich in einer Art mimischer Lachsalve. Seine in lächelnde Blicke eingehüllten Atemzüge flogen durch die Empfangshalle. Es näherten sich zwei weitere Freudenmädchen. Madame Blondel reichte ihm den Whisky: »Also gut. Trinken wir auf das Wohl Ihrer Landsmännin …«
    Er wollte ihn schon hinunterkippen, da setzte er das an die Lippen geführte Glas im Zeitlupentempo wieder ab. Gleichzeitig verfinsterte sich sein Ausdruck so sehr, daß er, als er es zurückgab, kaum noch wiederzuerkennen war. Sein Gesicht wurde überschattet von großer Qual und Furcht.
    Es gibt Personen, die die Leidenschaft über die Prinzipien stellen. Op Oloop gehörte nicht zu ihnen. Der mentale Stoßtrupp ging immer vorneweg. Als er Landsmännin sagte, war das Wort ihm auf natürliche Weise als ein geographischer Ausdruck entsprungen, doch als die Patronin es im spöttischen Tonfall wiederholte,

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