Oper und Drama
äußert sich aber unwillkürlich auch in einem einheitlichen Ausdrucke , und dieser einheitliche Ausdruck gewinnt seine vollste Ermöglichung aus der Einheit der Sprachwurzel, die sich in der Verwandtschaft des bedingenden und des bedingten Hauptmomentes der Phrase offenbart. Eine Empfindung, die sich in ihrem Ausdrucke durch den Stabreim der unwillkürlich zu betonenden Wurzelworte rechtfertigen kann, ist uns, sobald die Verwandtschaft der Wurzeln durch den Sinn der Rede nicht absichtlich entstellt und unkenntlich wird – wie in der modernen Sprache –, ganz unzweifelhaft begreiflich; und erst wenn diese Empfindung in solchem Ausdrucke als eine einheitliche unser Gefühl unwillkürlich bestimmt hat, rechtfertigt sich vor unserem Gefühle auch die Mischung dieser Empfindung mit einer anderen. Eine gemischte Empfindung dem bereits bestimmten Gefühle schnell verständlich zu machen, hat die dichterische Sprache wiederum im Stabreime ein unendlich vermögendes Mittel, das wir abermals als ein sinnliches in der Bedeutung bezeichnen können, daß auch ein umfassender und doch bestimmter Sinn in der Sprachwurzel ihm zugrunde liegt. Der sinnig-sinnliche Stabreim vermag den Ausdruck einer Empfindung mit dem einer anderen zunächst durch seine reinsinnliche Eigenschaft in der Weise zu verbinden, daß die Verbindung dem Gehöre lebhaft merklich wird und als eine natürliche sich ihm einschmeichelt. Der Sinn des stabgereimten Wurzelwortes, in welchem bereits die neu hinzugezogene andere Empfindung sich kundgibt, stellt sich, durch die unwillkürliche Macht des gleichen Klanges auf das sinnliche Gehör, an sich aber schon als ein verwandtes heraus, als ein Gegensatz, der in der Gattung der Hauptempfindung mit inbegriffen ist und als solcher nach seiner generellen Verwandtschaft mit der zuerst ausgedrückten Empfindung durch das ergriffene Gehör dem Gefühle, und durch dieses endlich selbst dem Verstande, mitgeteilt wird. [Fußnote: »Die Liebe bringt Lust und – Leid.«]
Das Vermögen des unmittelbar empfangenden Gehöres ist hierin so unbegrenzt, daß es die entferntest von sich abliegenden Empfindungen, sobald sie ihm in einer ähnlichen Physiognomie vorgeführt werden, zu verbinden weiß und sie dem Gefühle als verwandte, reinmenschliche, zur umfassenden Aufnahme zuweist. Was ist gegen diese allumfassende und allverbindende Wundermacht des sinnlichen Organes der nackte Verstand, der sich dieser Wunderhülfe begibt und den Gehörsinn zum sklavischen Lastträger seiner sprachlichen Industriewarenballen macht! Dieses sinnliche Organ ist gegen den, der sich ihm liebevoll mitteilt, so hingebend und überschwenglich reich an Liebesvermögen, daß es das durch den wählerischen Verstand millionenfach Zerrissene und Zertrennte als Reinmenschliches, ursprünglich und immer und ewig Einiges wiederherzustellen und dem Gefühle zum entzückendsten Hochgenusse darzubieten vermag. – Naht euch diesem herrlichen Sinne, ihr Dichter! Naht euch ihm aber als ganze Männer und mit vollem Vertrauen! Gebt ihm das Umfangreichste, was ihr zu fassen vermögt, und was euer Verstand nicht binden kann, das wird dieser Sinn euch binden und als unendliches Ganzes euch wiederzuführen. Drum kommt ihm herzhaft entgegen, Aug in Aug; bietet ihm euer Angesicht, das Angesicht des Wortes – nicht aber das welke Hinterteil, das ihr schlaff und matt im Endreime eurer prosaischen Rede nachschleppt und dem Gehöre zur Abfertigung hinhaltet – wie als ob es eure Worte um den Lohn dieses kindischen Geklingels, das man Wilden und Albernen zur Beschwichtigung vormacht, ungestört durch seine Pforte zu dem neu zersetzenden Hirne einlassen solle. Das Gehör ist kein Kind; es ist ein starkes liebevolles Weib, das in seiner Liebe den am höchsten zu beseligen vermag, der in sich ihm den vollsten Stoff zur Beseligung zuführt.
Und wie wenig boten wir bis jetzt noch diesem Gehöre, da wir ihm soeben nur den konsonierenden Stabreim zuführten, durch den allein schon es uns das Verständnis aller Sprache erschloß! Forschen wir weiter, um zu sehen, wie dieses Sprachverständnis durch die höchste Erregung des Gehöres sich zum höchsten Menschenverständnisse zu erheben vermag. –
Wir haben nochmals zu dem Konsonanten zurückzukehren, um ihn in seiner zweiten Wirksamkeit uns vorzustellen. –
Die befähigende Kraft, selbst die anscheinend verschiedensten Gegenstände und Empfindungen dem Gehöre durch den Reim des Anlautes als verwandt vorzuführen,
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