Oper und Drama
Eigenschaft vorstellen, um diese letzte für den Konsonanten, gleichsam den äußeren Sprachmenschen, in Anspruch zu nehmen. Stellte sich dieser Konsonant, den wir nach seiner äußersten und wichtigsten, sinnlichen wie sinnigen, Wirksamkeit im Stabreime uns vergegenwärtigten, nun dem »Auge« des Gehöres dar, so teilt sich dagegen jetzt der Vokal, den wir nach seiner eigensten lebengebenden Eigenschaft erkannten, dem »Ohre« des Gehöres selbst mit. Nur aber, wenn er nach seiner vollsten Eigenschaft, ganz in der selbständigen Fülle, wie wir sie den Konsonanten im Stabreime entfalten ließen, nicht nur als tönender Laut , sondern als lautender Ton sich kundzugeben vermag, ist er imstande, jenes »Ohr« des Gehöres, dessen »Sehkraft« wir nach höchster Fähigkeit für den Konsonanten in Anspruch nahmen, nach der unendlichen Fülle seines hörenden Vermögens in dem Grade zu erfüllen, daß es in das notwendige Übermaß von Entzücken gerät, aus welchem es das Empfangene an das zu höchster Erregung zu steigernde Allgefühl des Menschen mitteilen muß. – Wie sich uns zu vollster, befriedigendster Gewißheit nur derjenige Mensch darstellt, der unserem Auge und Ohre zugleich sich kundgibt, so überzeugt auch das Mitteilungsorgan des inneren Menschen unser Gehör nur dann zu vollständigster Gewißheit, wenn es sich dem »Auge und dem Ohre« dieses Gehöres gleichbefriedigend mitteilt. Dies geschieht aber nur durch die Wort-Tonsprache , und der Dichter wie der Musiker teilte bisher nur den halben Menschen mit: der Dichter wandte sich nur an das Auge, der Musiker nur an das Ohr dieses Gehöres. Nur das ganze, sehende und hörende, das ist – das vollkommen verstehende Gehör, vernimmt aber den inneren Menschen mit untrüglicher Gewißheit. –
Jene zwingende Kraft, die der Sprachwurzel innewohnte und den nach sicherstem Gefühlsausdrucke suchenden Dichter mit Notwendigkeit bestimmte, sich gerade dieses einen, seiner Absicht einzig entsprechenden Wurzelwortes zu bedienen, erkennt dieser Dichter nun mit überzeugendster Gewißheit in dem tönenden Vokale, sobald er ihn in seiner höchsten Fülle als wirklichen atembeseelten Ton sich vorführt. In diesem Tone spricht sich am unverkennbarsten der Gefühlsinhalt des Vokales aus, der aus innerster Notwendigkeit gerade in diesem und keinem anderen Vokale sich äußern konnte, wie dieser Vokal, dem äußeren Gegenstande gegenüber, gerade diesen und keinen anderen Konsonanten aus sich nach außen verdichtete. Diesen Vokal in seinen höchsten Gefühlsausdruck auflösen, ihn nach höchster Fülle im Herzensgesangstone sich ausbreiten und verzehren lassen, heißt für den Dichter soviel, als das bisher willkürlich und deshalb beunruhigend Erscheinende in seinem dichterischen Ausdrucke zu einem Unwillkürlichen, das Gefühl so bestimmt Wiedergebenden als bestimmend Erfassenden machen. Volle Beruhigung gewinnt er daher nur in der vollsten Erregtheit seines Ausdruckes; dadurch, daß er sein Ausdrucksvermögen nach der höchsten, ihm inwohnenden Fähigkeit verwendet, macht er es einzig zu dem Organe des Gefühles, das dem Gefühle wiederum unmittelbar sich mitteilt; und aus seinem eigenen Sprachvermögen erwächst ihm dieses Organ, sobald er es nach seiner ganzen Fähigkeit ermißt und verwendet. –
Der Dichter, der zu möglichst bestimmter Mitteilung einer Empfindung bereits die nach Sprachakzenten geordnete Reihe im musikalischen Takte sich kundgebender Worte durch den konsonierenden Stabreim zu einem, dem Gefühle leichter mitteilbaren, sinnlichen Verständnisse zu bringen suchte, wird dies Gefühlsverständnis nun immer vollkommener ermöglichen, wenn er die Vokale der akzentuierten Wurzelworte, wie zuvor ihre Konsonanten, wiederum zu einem Reime verbindet, der ihr Verständnis dem Gefühle auf das bestimmendste erschließt. Das Verständnis des Vokales begründet sich aber nicht auf seine oberflächliche Verwandtschaft mit einem gereimten anderen Wurzelvokale, sondern, da alle Vokale unter sich unverwandt sind , auf die Aufdeckung dieser Urverwandtschaft durch die volle Geltendmachung seines Gefühlsinhaltes vermöge des musikalischen Tones . Der Vokal ist selbst nichts anderes als der verdichtete Ton . seine besondere Kundgebung bestimmt sich durch seine Wendung nach der äußeren Oberfläche des Gefühlskörpers, der – wie wir sagten – dem Auge des Gehöres das abgespiegelte Bild des äußeren, auf den Gefühlskörper wirkenden, Gegenstandes darstellt; die
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