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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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gewesen, der längst schon das Opernproblem uns klar gelöst, nämlich das wahrste, schönste und vollkommenste – Drama dichten geholfen hätte, wenn eben der Dichter ihm begegnet wäre, dem er als Musiker gerade nur zu helfen gehabt haben würde. Der Dichter begegnete ihm aber nicht: bald reichte ihm nur ein pedantisch langweiliger oder ein frivol aufgeweckter Operntextmacher seine Arien, Duetten und Ensemblestücke zur Komposition dar, die er dann, je nach der Wärme, die sie ihm erwecken konnten, so in Musik setzte, daß sie immer den entsprechendsten Ausdruck erhielten, dessen sie nach ihrem Inhalte irgend fähig waren.
    So hatte Mozart nur das unerschöpfliche Vermögen der Musik dargetan, jeder Anforderung des Dichters an ihre Ausdrucksfähigkeit in undenklichster Fülle zu entsprechen, und bei seinem ganz unreflektierten Verfahren hatte der herrliche Musiker auch in der Wahrheit des dramatischen Ausdruckes, in der unendlichsten Mannigfaltigkeit seiner Motivierung, dieses Vermögen der Musik in bei weitem reicherem Maße aufgedeckt als Gluck und alle seine Nachfolger. Etwas Grundsätzliches war aber in seinem Wirken und Schaffen so wenig ausgesprochen, daß die mächtigen Schwingen seines Genius das formelle Gerüst der Oper eigentlich ganz unberührt gelassen hatten: er hatte in die Formen der Oper nur den Feuerstrom seiner Musik ergossen, sie selbst waren aber zu unmächtig, diesen Strom in sich festzuhalten, sondern er floß aus ihnen dahin, wo er in immer freierer und unbeengenderer Einhegung seinem natürlichen Verlangen nach sich ausdehnen konnte, bis wir ihn in den Symphonien Beethovens zum mächtigen Meere angeschwollen wiederfinden. Während in der reinen Instrumentalmusik die eigenste Fähigkeit der Musik sich zum ungemessensten Vermögen entwickelte, blieben jene Opernformen, gleich ausgebranntem Mauerwerk, nackt und frostig in ihrer alten Gestalt stehen, harrend des neuen Gastes, der seine flüchtige Heimat in ihnen aufschlagen sollte. Nur für die Geschichte der Musik allgemeinhin ist Mozart von so überraschend wichtiger Bedeutung, keineswegs aber für die Geschichte der Oper, als eines eigenen Kunstgenres, im Besonderen. Die Oper, die in ihrem unnatürlichen Dasein an keine Gesetze wirklicher Notwendigkeit für ihr Leben gebunden war, konnte jedem ersten besten Musikabenteurer als gelegentliche Beute verfallen.
    Dem unerquicklichen Anblicke, den das Kunstschaffen der sogenannten Nachfolger Mozarts darbietet, können wir hier füglich vorbeigehen. Eine ziemliche Reihe von Komponisten bildete sich ein, Mozarts Oper sei etwas durch die Form Nachzuahmendes, wobei natürlich übersehen wurde, daß diese Form an sich nichts und Mozarts musikalischer Geist eben alles gewesen war: die Schöpfungen des Geistes durch pedantische Anordnungen nachzukonstruieren ist aber noch niemand gelungen.
     
    Nur eines blieb in diesen Formen noch auszusprechen übrig: Hatte Mozart in ungetrübtester Naivetät ihren rein musikkünstlerischen Gehalt zu höchster Blüte entwickelt, so war der eigentliche Grund des ganzen Opernwesens, dem Quell seiner Entstehung gemäß, mit unverhülltester, nacktesten Offenheit in denselben Formen noch kundzutun; es war der Welt noch deutlich und unumwunden zu sagen, welchem Verlangen und welchen Anforderungen an die Kunst eigentlich die Oper Ursprung und Dasein verdanke; daß dieses Verlangen keineswegs nach dem wirklichen Drama, sondern nach einem – durch den Apparat der Bühne nur gewürzten – keineswegs ergreifenden und innerlich belebenden, sondern nur berauschenden und oberflächlich ergötzenden Genuß ausging. In Italien , wo diesem – noch unbewußten – Verlangen die Oper entstanden war, sollte endlich mit vollem Bewußtsein ihm auch entsprochen werden.
    Wir müssen hier näher auf das Wesen der Arie zurückkommen.
    Solange Arien komponiert werden, wird der Grundcharakter dieser Kunstform sich immer als ein absolut musikalischer herauszustellen haben. Das Volkslied ging aus einer unmittelbaren, eng unter sich verwachsenen, gleichzeitigen Gemeinwirksamkeit der Dichtkunst und der Tonkunst hervor, einer Kunst, die wir im Gegensatze zu der von uns einzig fast nur noch begriffenen, absichtlich gestaltenden Kulturkunst kaum Kunst nennen möchten, sondern vielleicht durch: unwillkürliche Darlegung des Volksgeistes durch künstlerisches Vermögen bezeichnen dürften. Hier ist Wort- und Tondichtung eins. Dem Volke fällt es nie ein, seine Lieder ohne Text zu singen, ohne den

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