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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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mehr Grund dazu als sie? Wer war, bei so viel Vermögen, so grundgefällig gegen sie als Rossini? – Erfuhr er, daß das Publikum dieser einen Stadt besonders gern Läufe der Sängerinnen hörte, das der anderen dagegen lieber schmachtenden Gesang, so gab er für die erste Stadt seinen Sängerinnen nur Läufe, für die zweite nur schmachtenden Gesang. Wußte er, daß man hier gern die Trommel im Orchester hörte, so ließ er sogleich die Ouvertüre zu einer ländlichen Oper mit Trommelwirbel beginnen; wurde ihm gesagt, daß man dort leidenschaftlich das Crescendo in Ensemblesätzen liebte, so setzte er seine Oper in der Form eines beständig wiederkehrenden Crescendos. – Nur einmal hatte er Grund, seine Gefälligkeit zu bereuen. Für Neapel riet man ihm, sorgfältiger in seinem Satze zu verfahren: seine solider gearbeitete Oper sprach nicht an, und Rossini nahm sich vor, nie in seinem Leben wieder auf Sorgfalt bedacht zu sein, selbst wenn man ihm dies anriete. –
    Übersah Rossini den ungeheuern Erfolg seiner Behandlung der Oper, so ist es ihm nicht im mindesten als Eitelkeit und anmaßender Hochmut zu deuten, wenn er lachend den Leuten in das Gesicht rief, er habe das wahre Geheimnis der Oper gefunden, nach welchem alle seine Vorgänger nur irrend herumgetappt. Wenn er behauptete, es würde ihm ein leichtes sein, die Opern auch seiner größten Vorgänger, und gelte es selbst Mozarts »Don Juan«, vergessen zu machen, und zwar einfach dadurch, daß er dasselbe Sujet auf seine Weise wieder komponiere, so sprach sich hierin keinesweges Arroganz, sondern der ganz sichere Instinkt davon aus, was das Publikum eigentlich von der Oper verlange. In der Tat würden unsere Musikreligiösen der Erscheinung eines Rossinischen »Don Juan« nur zu ihrer vollsten Schmach zuzusehen gehabt haben; denn mit Sicherheit ließe sich annehmen, daß Mozarts »Don Juan« vor dem eigentlichen entscheidenden Theaterpublikum – wenn nicht auf immer, so doch für eine längere Zeit – dem Rossinischen hätte weichen müssen. Denn dies ist der eigentliche Ausschlag, den Rossini in der Opernfrage gab: er appellierte mit Haut und Haar der Oper an das Publikum ; er machte dieses Publikum mit seinen Wünschen und Neigungen zum eigentlichen Faktor der Oper.
    Hätte das Opernpublikum irgendwie den Charakter und die Bedeutung des Volkes , nach dem richtigen Sinne dieses Wortes, an sich gehabt, so müßte uns Rossini als der allergründlichste Revolutionär im Gebiete der Kunst erscheinen. Einem Teile unsrer Gesellschaft gegenüber, der aber nur als ein unnatürlicher Auswuchs des Volks und in seiner sozialen Überflüssigkeit, ja Schädlichkeit, nur als das Raupennest anzusehen ist, welches die gesunden, nährenden Blätter des natürlichen Volksbaumes zernagt, um aus ihm höchstens die Lebenskraft zu erlangen, als luftige, gaukelnde Schmetterlingsschar ein ephemeres, luxuriöses Dasein dahinzuflattern – einem solchen Volksabhube gegenüber, der auf einem zu schmutziger Roheit versunkenen Bodensatze sich nur zu lasterhafter Eleganz, nie aber zu wahrer, schöner menschlicher Bildung erheben konnte – also – um den bezeichnendsten Ausdruck zu geben – unserem Opernpublikum gegenüber, war Rossini jedoch nur Reaktionär , während wir Gluck und seine Nachfolger als methodische, prinzipielle, nach ihrem wesentlichen Erfolge machtlose, Revolutionäre anzusehen haben. Im Namen des luxuriösen, in der Tat aber einzig wirklichen Inhaltes der Oper und der konsequenten Entwickelung desselben, reagierte Joachimo Rossini ebenso erfolgreich gegen die doktrinären Revolutionsmaximen Glucks, als Fürst Metternich , sein großer Protektor, im Namen des unmenschlichen, in Wahrheit aber einzigen Inhaltes des europäischen Staatswesens und der folgerichtigen Geltendmachung desselben, gegen die doktrinären Maximen der liberalen Revolutionäre reagierte, welche innerhalb dieses Staatswesens, und ohne gänzliche Aufhebung seines unnatürlichen Inhalts, in denselben Formen, die diesen Inhalt aussprachen, das Menschliche und Vernünftige herstellen wollten. Wie Metternich den Staat mit vollem Rechte nicht anders als unter der absoluten Monarchie begreifen konnte, so begriff Rossini mit nicht minderer Konsequenz die Oper nur unter der absoluten Melodie . Beide sagten: »Wollt ihr Staat und Oper, hier habt ihr Staat und Oper – andere gibt es nicht!«
    Mit Rossini ist die eigentliche Geschichte der Oper zu Ende. Sie war zu Ende, als der unbewußte Keim ihres

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