Oper und Drama
willkürlichen Schaffen ohne diese Absicht war – denn als eine bedingte, befriedigende Kundgebung ist die seinige selbst höher als die der bedingenden, bedürftigen Absicht an sich, die wiederum dennoch die höchste menschliche ist; daß er endlich, als von dieser Absicht in seiner Kundgebung bedingt, zu einer bei weitem reicheren Kundgebung seines Vermögens veranlaßt wird, als er es in seiner einsamen Stellung war, wo er – um möglichster Verständlichkeit wegen – sich selbst beschränken , nämlich zu einer Tätigkeit anhalten mußte, die nicht seine eigentümliche als Musiker war, während er gerade jetzt zur unbeschränktesten Entfaltung seines Vermögens notwendig aufgefordert ist, weil er ganz nur Musiker sein darf und soll.
Dem Dichter erklären wir aber, daß seine Absicht, wenn sie im Ausdrucke des von ihm bedingten Musikers – soweit sie eine an das Gehör kundzugebende ist – nicht vollständig verwirklicht werden könnte , auch keine höchste dichterische Absicht überhaupt ist; daß überall da, wo seine Absicht noch kenntlich ist, er auch noch nicht vollständig gedichtet hat; daß er daher seine Absicht als eine höchste dichterische nur darnach bemessen kann, daß sie im musikalischen Ausdrucke vollkommen zu verwirklichen ist. –
Das Maß des Dichtungswerten bezeichnen wir schließlich daher so: – wenn Voltaire von der Oper sagte: »Was zu albern ist, um gesprochen zu werden, das läßt man singen«, so sagen wir von dem vor uns liegenden Drama dagegen: Was nicht wert ist, gesungen zu werden, ist auch nicht der Dichtung wert .
Nach dem Gesagten dürfte es fast überflüssig erscheinen, noch die Frage aufzuwerfen, ob wir uns Dichter und Musiker in zwei Personen oder nur in einer zu denken haben sollen?
Der Dichter und der Musiker, den wir meinen, sind sehr gut als zwei Personen zu denken. Der Musiker könnte sogar, in seiner praktischen Vermittlung zwischen der dichterischen Absicht und deren endlichen leibhaftigen Verwirklichung durch die tatsächliche szenische Darstellung vom Dichter notwendig als besondere Person bedingt sein, und zwar als eine, wenn auch nicht notwendig nach dem Lebensalter, doch nach dem Charakter – jüngere als der Dichter. Diese jüngere, der unwillkürlichen Lebensäußerung – auch im lyrischen Momente – näher stehende Person, dürfte dem erfahrenern, reflektierenden Dichter wohl geeigneter zur Verwirklichung seiner Absicht erscheinen als er selbst; und aus seiner natürlichen Neigung zu diesem Jüngeren, Erregungsfreudigeren würde, sobald dieser die vom Älteren ihm mitgeteilte dichterische Absicht mit williger Begeisterung in sich aufnehme, die schöne edelste Liebe hervorblühen, die wir als die ermöglichende Kraft des Kunstwerkes erkannt haben. Schon daß der Dichter seine – wie nicht anders möglich – hier nur angedeutete Absicht von dem Jüngeren vollkommen verstanden wußte, und daß dieser Jüngere fähig war, seine Absicht zu verstehen, würde den Liebesbund knüpfen, in welchem der Musiker zum notwendigen Gebärer des Empfangenen würde; denn sein Anteil an dem Empfängnisse ist der Trieb, mit warmem, vollem Herzen das Empfangene weiter mitzuteilen. An diesem, in einem anderen erregten Triebe würde der Dichter selbst eine immer steigende Wärme für sein Erzeugnis gewinnen, die ihn zur mittätigsten Teilnahme auch an der Geburt selbst bestimmen müßte. Gerade die Doppeltätigkeit der Liebe müßte eine nach jeder Seite hin unendlich anregende, fördernde und ermöglichende künstlerische Kraft äußern.
Betrachten wir aber die Stellung, die gegenwärtig Dichter und Musiker zueinander einnehmen, und erkennen wir diese nach den Grundsätzen der Selbstbeschränkung als egoistische Absonderung so geordnet, wie wir sie zwischen allen Faktoren unsrer heutigen staatlichen Gesellschaft wahrzunehmen haben, so fühlen wir allerdings, daß da, wo einer unwürdigen Öffentlichkeit gegenüber jeder für sich glänzen will, nur der einzelne den Geist der Gemeinschaft in sich aufnehmen und nach – immerhin unvermögenden – Kräften pflegen und entwickeln kann. Nicht zweien kann gegenwärtig der Gedanke zur gemeinschaftlichen Ermöglichung des vollendeten Dramas kommen, weil zweie im Austausche dieses Gedankens der Öffentlichkeit gegenüber die Unmöglichkeit der Verwirklichung mit notwendiger Aufrichtigkeit sich eingestehen müßten und dieses Geständnis ihr Unternehmen daher im Keime ersticken würde. Nur der Einsame vermag in seinem
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